Friedrich-Schiller-Universität Jena |
09.07.2018 09:29
Öffentlicher Artist Talk am 12. Juli
Die Berliner Künstlerin Patricia Pisani im Gespräch mit Volkhard Knigge
Öffentlicher Artist Talk am 12. Juli, 19 Uhr, in der Villa Rosenthal in Jena
Jena (A. Bohn) Die in Berlin lebende Künstlerin Patricia Pisani ist seit Mitte der 90er Jahre mit Objekten, Installationen und Interventionen an einer Vielzahl von Ausstellungsprojekten und Kunstwettbewerben in Deutschland beteiligt. Am 12. Juli spricht Patricia Pisani im Rahmen der Artist Talks zum Botho-Graef-Kunstwettbewerb der Stadt Jena über kontextbezogene Kunst im öffentlichen Raum. Gesprächspartner ist Prof. Dr. Volkhard Knigge, Leiter der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora und Mitglied des Kuratoriums zum Graef-Kunstpreis.
Ziel des Kunstwettbewerbs „Das verschwundene Bildnis“ ist ein dezentrales Denkmal für den Rechtswissenschaftler, Rektor der Universität und Vater der Thüringer Verfassung Eduard Rosenthal (1853-1926). Rosenthals Porträt war wegen seiner jüdischen Herkunft von der nationalsozialistischen Universitätsleitung aus der Jenaer Professoren-Galerie entfernt worden. Seine Verdienste um die Demokratie und die Erinnerung an seine Person sollten aus dem öffentlichen Gedächtnis getilgt werden.
Patricia Pisani wurde 1958 in Buenos Aires, Argentinien, geboren, wo sie Bildhauerei studierte. Anschließend kam sie zum Studium an die Staatliche Kunstakademie Stuttgart. Seit 1993 lebt und arbeitet sie als freie Künstlerin in Berlin. Seit 2005 ist sie Mitglied der Kommission für Kunst im öffentlichen Raum des Berufsverbands Bildender Künstler*innen Berlin. Sie ist auch Mitverfasserin des „Handbuchs visuelle Mediengestaltung. Visuelle Sprache. Grundlagen der Gestaltung. Konzeption digitaler Medien“ (2001), eines Standardwerks, das inzwischen in 7. Auflage erschienen ist.
Handelsübliche Objekte in ungewohntem Kontext
Ausgangspunkt ihrer kontextbezogenen Kunstprojekte ist die Auseinandersetzung mit dem Ort und seiner Geschichte als auch mit der aktuellen gesellschaftlichen Situation. Dabei stellt die Künstlerin oft handelsübliche Objekte wie Verkehrsspiegel, Absperrband oder Schranken in einen ungewohnten Kontext. So installierte sie für eine Ausstellung in einer ehemaligen Zuckerkulörfabrik Frankfurt (Oder) Schlagbäume in Form eines Mobiles. Für die Arbeit „Künstlerpathos“ goss sie die Ohren von 50 Künstlerinnen und Künstlern ab, legte sie in mit deren Unterschrift beschriftete Apothekenflaschen und stellte die Sammlung in eine Glasvitrine. Mit einem 100 Meter langen Reißverschluss schuf sie ein „Möbius-Kleid“. Für „Tagebuch“ fotografierte sie an verschiedenen Tagen den Inhalt ihrer Handtasche. Im Rahmen der Ausstellung „Localize Kanalarbeiten“ umwickelte sie eine Fußgängerbrücke über den Potsdamer Stadtkanal komplett mit weiß-rotem Absperrband.
Zwei ihrer Konzeptionen auf dem Gebiet der Erinnerungskunst wurden bisher realisiert. 2001 gewann Patricia Pisani den Wettbewerb „Denkzeichen zur Erinnerung an die Ermordeten der NS-Militärjustiz am Murellenberg“. Auf dem ehemaligen Wehrmachtsgelände in Berlin-Ruhleben wurden zwischen August 1944 und April 1945 Deserteure, Wehrdienstverweigerer und Befehlsverweigerer standrechtlich erschossen. Etwa 230 von ihnen sind namentlich ermittelt. Für das Denkzeichen markierte Patricia Pisani den Weg zum Erschießungsort mit 104 Verkehrsspiegeln, 16 von ihnen tragen Informationstexte. Deren dramaturgische Anordnung folgt dem Wandel der öffentlichen Meinung: Von Zitaten aus Urteilen des Bundessozialgerichts, das sich Anfang der 90er Jahre erstmals der Deserteursproblematik annahm, bis hin zu kurzen Sätzen aus Augenzeugenberichten.
Ein weiteres Werk der Künstlerin wurde 2013 im Ergebnis des Kunstwettbewerbs zur Errichtung eines „Denkzeichens in Berlin-Buch für die Opfer der nationalsozialistischen Zwangssterilisation und ,Euthanasie‘-Morde“ realisiert. Pisani schuf für den Rasen im Klinikgelände ein überdimensioniertes weißes Kopfkissen aus Kunstharz, dessen Oberfläche die Namen zahlreicher Opfer trägt. Der Abdruck eines Kopfes bringt die Abwesenheit der Schutzbefohlenen zum Ausdruck. Das Kopfkissen dient hier als ein ambivalentes Zeichen: Eigentlich Ruhe, Geborgenheit und Schutz symbolisierend, verweist es darauf, dass die Funktion der psychiatrischen Kliniken im Zuge der „Aktion T 4“ 1940/41 in ihr Gegenteil pervertiert worden ist. Zudem erinnert es an einen Grabstein oder besser an ein Kenotaph – ein leeres Grab – und bietet damit den Angehörigen die Möglichkeit zu trauern.
Termin auf einen Blick:
Donnerstag, 12. Juli, 19 Uhr, Villa Rosenthal, Mälzerstr. 11 in Jena
Der Eintritt ist frei.