VON SONJA WIESEL |
26.03.2018 17:30
Studieren mit Kind
Wenn bei den KommilitonenInnen der Wecker klingelt, ist Vanessa Kerscher schon lange auf den Beinen. Morgenstunden sind ideal zum Lernen ... Denn wacht Amilia erst einmal auf, haben Bücher Pause. Vanessa gibt dann ihrer Tochter das Fläschchen, wäscht und wickelt die Kleine, kleidet sie an – und nimmt sie mit in die Hochschule. Denn Familie und Studium, das geht an der OTH Amberg-Weiden. Sehr gut sogar!
Prüfungseinsicht in der Fakultät Betriebswirtschaft. Im Gang warten 30 Studierende, dazwischen ein Kinderwagen, darin Amilia. Ihre Mama hat im Wintersemester zehn Klausuren geschrieben! Sportlich, schon für kinderlose Otto-Normal-Studierende. Für eine Mutter mit einer sieben Monate alten Tochter bedeutet das, immer mit ein paar Bällen mehr zu jonglieren, als man eigentlich in der Luft halten kann. Und es trotzdem schaffen! Da heißt es: kümmern, kuscheln, knuddeln, kitzeln, lachen, trösten, spielen oder einfach da sein. Da heißt es aber auch: Zeit gut einteilen, Vorlesungen besuchen, Babysitter finden, intensive Lerneinheiten einlegen und immer optimistisch bleiben. „Es nützt ja nichts, wenn ich einen Tag vor der Klausur verzweifle, weil ich bisher nur eine Stunde lernen konnte“, sagt Vanessa. „Ich denk‘ mir: Klasse! Noch 24 Stunden. Los geht’s.“
Vanessa studiert Handels- und Dienstleistungsmanagement dual mit vertieften Praxisphasen bei A.T.U. Darüber hinaus ist die 23-jährige Weidenerin teilzeit-alleinerziehend, denn ihr Freund arbeitet bei der U.S. Army und ist viel unterwegs. Gut, dass ihre Eltern in Weiden leben und sich gerne um Amilia kümmern. Da beide arbeiten, haben sie nicht immer Zeit. Deshalb schnuppert die Amilia regelmäßig Campus-Luft.
Mit Baby in die Vorlesung
An der
OTH Amberg-Weiden ist Amilia nicht nur dabei, sondern willkommen. Viele DozentenInnen und Studierende freuen sich, die Kleine zu sehen. Kein Wunder, denn in Vorlesungen glänzt sie mit tadellosem Verhalten: Sie lacht oft, schreit selten, schwätzt nie mit den Nachbarn. „Die Professorinnen und Professoren haben viel Verständnis“, sagt Vanessa. „Und Amilia ist auch ein freundliches Kind, das schon mit einem Lachen im Gesicht aufwacht. Deshalb klappt das ganz gut in den Vorlesungen.“
Familienfreundlichkeit wird an der OTH Amberg-Weiden eben gelebt, von den MitarbeiternInnen, ProfessorenInnen und übrigens auch vielen Studierenden. Denn auf ihre KommilitonenInnen kann sich Vanessa verlassen. „Die helfen mir immer aus. Wenn ich nicht zur Vorlesung kommen konnte oder einmal früher gehen musste, bekomme ich ihre Aufzeichnungen. Oder sie erklären mir den Stoff, den ich verpasst habe. Ohne diese Hilfe würde es nicht gehen.“
Auch die OTH Amberg-Weiden trägt ihren Teil dazu bei, studierenden Eltern das Leben einfacher zu machen. „Wir unterstützen Mütter und Väter mit Angeboten wie Eltern-Kind-Arbeitszimmer, Kinderhochstühlen in den Mensen oder Familienappartements im Studierendenwohnheim“, sagt Vizepräsidentin Prof. Dr. Christiane Hellbach, Hochschulbeauftragte für Gender und Diversity. „In Amberg können sie die Kleinen sogar in der hochschulnahen Kindergrippe CampusKids unterbringen. Außerdem helfen wir Eltern, ihr Studium familiengerecht zu gestalten. Zum Beispiel durch Flexibilisierung des Studienverlaufs oder Praktikumsstellen in Teilzeit.“
Kurzes Studentenleben?
Vanessa nahm im Oktober 2016 ihr Studium auf, im November kündigte sich Amilia an, neun Monate später kam sie zur Welt. Bleiben knapp zwei Monate klassisches Studentenleben. Zu wenig? „Wenn nach der letzten Prüfung alle in die Stadt gehen und feiern, hole ich mein Kind von der Babysitterin ab“, sagt Vanessa. „Da bedauere ich manchmal schon, dass ich nicht dabei sein kann. Aber für die Amilia mache ich das gerne!“
Das Studium, glaubt Vanessa, ist eine gute Zeit, eine Familie zu gründen. Für die Kombination aus Campus und Kids spricht die größere Flexibilität. Außerdem eignet man sich als Mutter oder Vater Fähigkeiten an, die später im Job gefragt sind. „Man entwickelt Improvisationstalent, denn wirklich planen kann man mit einem Kind nicht“, sagt Vanessa. „Ich habe gelernt, meine Zeit gut zu nutzen und effizient zu arbeiten. Und natürlich steigt mit einem Kind das Verantwortungsgefühl.“
Auch in diesem Sommersemester steht Vanessa früher auf als Ihre KommilitonenInnen und belegt acht Fächer. Vorerst letzte Chance für Amilia, Vorlesungen zu besuchen und ProfessorenInnen zu bezaubern. Denn im Herbst geht’s erst einmal in die Kita...