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VON JULIANE DÖLITZSCH  |  06.11.2017 13:43

Das Beste aus zwei Nanowelten

EU-Förderprogramm FLAG-ERA unterstützt von Chemiker der Universität Jena koordiniertes, internationales Verbundprojekt mit 847.000 Euro

Der Traum eines jeden Forschers: Der Erfindung folgt die Patentanmeldung. Ein bedeutendes naturwissenschaftliches Journal veröffentlicht die Ergebnisse. Und schließlich beteiligt sich ein EU-weites Förderprogramm mit einer knappen Million Euro, um die Idee zu implementieren. Eben dieses Ideal hat sich für Prof. Dr. Andrey Turchanin vom Institut für Physikalische Chemie der Friedrich-Schiller-Universität Jena erfüllt.

So hat das EU-Programm FLAG-ERA jetzt verkündet, welche Verbundprojekte es in den Bereichen Graphen und Human Brain in den kommenden Jahren unterstützt: Als einziges aus Deutschland koordiniertes Projekt wurde „H2O“ – Heterostrukturen von 2D-Materialien und organischen, halbleitenden Nanoschichten – gewählt, das ab Januar 2018 für drei Jahre mit einer Gesamtsumme von 847.000 Euro gefördert wird. Prof. Turchanin, Projektleiter, und Dr. Bert Nickel von der Ludwig-Maximilians-Universität München bauen damit auf ihrer Erfindung eines Halbleiterfilms aus Pentacen auf, über die das Fachmagazin Advanced Materials im Mai dieses Jahres berichtet hatte. Gemeinsam mit Wissenschaftlern aus den Niederlanden (Universität Twente) und Schweden (Technische Hochschule Chalmers) entwickeln sie den nur 50 Nanometer dünnen organischen Film weiter. Jede der vier Hochschulen stellt dafür einen Doktoranden ein.

Neue Anwendungen in der organischen Elektronik

„Mit der Förderung werden wir neue Anwendungen für unseren zum Patent angemeldeten Halbleiter kreieren, indem wir ihn mit 2D-Materialien wie Graphen und Übergangsmetall-Dichalkogeniden verbinden – und so das Beste aus zwei Welten zusammenbringen“, erklärt Andrey Turchanin. Eine Vielzahl mikroskopischer und spektroskopischer Untersuchungen steht dazu zunächst an, um unter anderem die Eigenschaften dieser neuartigen nanoskaligen Stoffe zu analysieren. Durch die additive Mikrofabrikation, also das Stapeln zweier oder mehrerer dünnster Substanzen, soll ein neues Material mit den gewünschten Eigenschaften entstehen: „flexibel und biegsam, leitfähig, schaltbar, umweltverträglich“, zählt der Jenaer Wissenschaftler auf. Im Bereich der organischen Elektronik sieht er Anwendungsmöglichkeiten wie flexible Displays, tragbare, formveränderliche elektronische Geräte und Photovoltaik.

Seit der Entdeckung von freien, einschichtigen Graphenkristallen befassen sich Wissenschaftler weltweit mit der äußerst stabilen und reißfesten, dafür umso leichteren Kohlenwasserstoffmodifikation und anderen atomar dünnen Nanoblättern. Das Gebiet gilt als so vielversprechend, dass die Europäische Union seit 2013 eine ihrer zwei großen Forschungsinitiativen, die FET Flagships (Future and Emerging Technologies), dem häufig als „Wundermaterial“ betitelten Graphen widmet – die andere der Forschung zum menschlichen Gehirn. Jährliche Aufrufe der europäischen Förderorganisation FLAG-ERA, neue Ideen zu beiden Themen einzureichen, geschehen in Ergänzung der „Flaggschiffe“ und sollen komplementäre Forschung anregen. Bedingung für den Antrag ist ein internationales Konsortium, bestehend aus mindestens drei Ländern. Die Fördergelder kommen von der EU und den jeweiligen nationalen Forschungsförderungen wie der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).