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VON GIOVANNA MARASCO-ALBRY  |  05.09.2017 17:26

Live-Experiment zum Kanzler-Duell

Die Universitäten Koblenz-Landau und Mainz haben im Rahmen eines Live-Experiments Wahrnehmung und Wirkung des TV-Duells 2017 zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrem Herausforderer Martin Schulz (SPD) untersucht. Die Hauptergebnisse der Studie mit rund 200 Teilnehmenden: Martin Schulz konnte die Debatte knapp für sich entscheiden. Zudem ist es ihm gelungen, in der Frage der Kanzlerpräferenz zu Angela Merkel aufzuschließen.

Insgesamt waren 224 Bürgerinnen und Bürger eingeladen, das Fernsehduell an den Universitäten in Landau und Mainz live zu verfolgen. Während der Debatte konnten sie Angela Merkel und Martin Schulz mit Drehreglern oder Push-Buttons permanent bewerten und mithilfe von Fragebögen ihre zusammenfassenden Meinungen vor und nach dem Duell abgeben. Merkel hatte dabei den besseren Start: Gleich mit einer ihrer ersten Aussagen konnte sie einen der höchsten Zustimmungswerte der gesamten Debatte verbuchen. Ihre Feststellung, dass nicht alle Flüchtlinge nach Deutschland kommen könnten, sondern vielmehr die Fluchtursachen zur Beilegung der Krise bekämpft werden müssen, kam bei den Zuschauern gut an. Ähnliche Zustimmungswerte erzielte sie mit ihrer Position, dass für sie nur eine „friedliche diplomatische Lösung“ zur Beilegung des Nordkorea-Konflikts in Betracht komme. Schließlich stieß sie mit ihrem Plädoyer, dass man sich mit allen Mitteln gegen den Terror stellen müsse, auf Zustimmung. Denn: „Sich an diesen Terror zu gewöhnen, würde bedeuten, unsere Art zu leben, aufzugeben“.

Schulz hatte nach etwa 25 Minuten seinen ersten starken Moment, als er sich beim Thema Migration dafür aussprach, dass diejenigen, die die im Grundgesetz garantierten Rechte – etwa die Gleichberechtigung von Mann und Frau – einschränken wollen, in „Deutschland nichts verloren“ haben . Mit Blick auf die Türkei erhielt seine Position, die EU-Beitrittsverhandlungen abzubrechen, große Zustimmung . Weiterhin wurde sein Vorwurf gegenüber Merkel, die CDU plane eine Erhöhung des Renteneinstiegsalters auf 70 Jahre, positiv bewertet. Schließlich konnte Schulz mit seiner Forderung punkten, dass die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen werden müssten, damit Bürger mit Sammelklagen gegen Autokonzerne im Rahmen der Diesel-Thematik vorgehen können.

Die am stärksten polarisierende Aussage des Abends kam von Martin Schulz als er darlegte, dass der „Islam eine Religionsgemeinschaft [ist] wie jede andere auch.“

Wirkungen des Experiments

Wie schon 2013 konnte Merkel das Duell nicht für sich entscheiden. 40 Prozent der Landauer und Mainzer Probanden sahen direkt nach der Sendung Schulz als Sieger, für 32 Prozent hatte Merkel die Nase vorn, 28 Prozent sahen den Ausgang als unentschieden. 2013 hatte der damalige Herausforderer Peer Steinbrück das Duell sogar mit 51 zu 36 Prozent für sich entschieden. Auch bei der Frage nach der Kanzlerpräferenz konnte Schulz durch das Duell gewinnen: Während vor der Sendung noch 40 Prozent Merkel und nur 29 Prozent Schulz direkt wählen wollten, führte Schulz mit rund 36 Prozent nach dem Duell sogar leicht vor Merkel, die auf 35 Prozent kam.

Insgesamt zeichnen die Ergebnisse zu den spontanen Zuschauerreaktionen und den Wirkungen der Debatte ein in sich stimmiges Bild: Martin Schulz hat von der Debatte stärker profitiert als Angela Merkel.