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VON Karl-Heinz Karisch  |  09.05.2016 10:13

Die Quantenschaukel - ein Pendel das gleichzeitig vor und zurück schwingt

Ultrakurze Terahertz-Impulse regen Zwei-Quanten-Oszillationen von Atomen in einem Halbleiterkristall an. Die von den bewegten Atomen abgestrahlten Terahertz-Wellen werden mittels einer neuen zeitaufgelösten Technik analysiert und zeigen den nicht-klassischen Charakter der Atombewegungen von großer Amplitude.

Ultrakurze Terahertz-Impulse regen Zwei-Quanten-Oszillationen von Atomen in einem Halbleiterkristall an. Die von den bewegten Atomen abgestrahlten Terahertz-Wellen werden mittels einer neuen zeitaufgelösten Technik analysiert und zeigen den nicht-klassischen Charakter der Atombewegungen von großer Amplitude.

Das klassische Pendel einer Standuhr schwingt mit einer wohl definierten Auslenkung und Geschwindigkeit zu jedem Zeitpunkt vor und zurück. Während dieser Schwingung bleibt seine Gesamtenergie konstant, welche durch eine beliebig wählbare Anfangsauslenkung vorgegeben ist. Oszillatoren in der Quantenwelt der Atome und Moleküle verhalten sich völlig anders: Deren Energie hat diskrete Werte entsprechend der unterschiedlichen Quantenzustände eines Oszillators. Der "verschmierte" Ort eines Atoms in einem Energieeigenzustand des Oszillators wird mit Hilfe der Wellenfunktion beschrieben, deren Amplitude keinerlei Schwingungen aufweist.

Schwingungsbewegungen in der Quantenwelt erfordern eine Überlagerung unterschiedlicher Quantenzustände - sogenannte Kohärenzen oder Wellenpakete. Die Überlagerung zweier benachbarter Oszillatorzustände entspricht einer Ein-Quantenkohärenz, bei der die Atombewegung dem klassischen Pendel sehr ähnelt. Viel interessanter sind Zwei-Quantenkohärenzen, eine waschechte nicht-klassische Anregung, bei der ein Atom gleichzeitig an zwei verschiedenen Orten sein kann. Seine Geschwindigkeit verhält sich auch nicht-klassisch, was bedeutet, dass es sich zur selben Zeit von links nach rechts und von rechts nach links bewegt (siehe Movie). Solche Bewegungen existieren nur für sehr kurze Zeiten, weil die wohl definierte Überlagerung der Quantenzustände aufgrund der sogenannten Dekohärenz innerhalb weniger Pikosekunden (1 Pikosekunde = 10(hoch)-12s) zerfällt. Solche Zwei-Phononen-Kohärenzen sind äußerst wichtig in dem neuen Forschungsgebiet der sogenannten Quanten-Phononik. Dort werden nicht-klassische Atombewegungen wie etwa "gequetschte" oder "verschränkte" Phononen untersucht.

In der neuesten Ausgabe der Fachzeitschrift Physical Review Letters haben Forscher des Max-Born-Instituts in Berlin die neue Methode der Zwei-Dimensionalen (2D) Terahertz-Spektroskopie eingesetzt um nicht-klassische Zwei-Phononen-Kohärenzen mit großen räumlichen Amplituden zu erzeugen und nachzuweisen. In den Experimenten wechselwirkt eine Sequenz von drei phasengekoppelten THz-Impulsen mit einem 70-μm dicken Kristall des Halbleiters Indiumantimonid (InSb). Das elektrische Feld, das die bewegten Atome abstrahlen, dient als eine Sonde für die Atombewegung in Echtzeit. Ein zwei-dimensionales Abrasterverfahren (ein sogenannter 2D-scan), bei dem die zeitliche Verzögerung zwischen den drei THz-Impulsen variiert wird, zeigte ausgeprägte Zwei-Phononen-Signale und konnte deren Zeitstruktur aufdecken [Abb. 1]. Eine detaillierte theoretische Analyse brachte die Einsicht, dass nichtlineare Vielfach-Wechselwirkungen von allen drei THz-Impulsen nötig sind um solche starken Zwei-Phonen-Kohärenzen anzuregen.

Die neue experimentelle Methode erlaubte zum ersten Mal Zwei-Phononen-Kohärenzen großer Amplitude in einem Kristall nachzuweisen. Alle experimentellen Beobachtungen sind in exzellenter Übereinstimmung mit der Quantentheorie. Dieser neue Typus von 2D-THz-Spektroskopie weist den Weg zur Erzeugung, Analyse und Manipulation von anderen Niedrig-Energie-Anregungen in Festkörpern, wie z.B. Magnonen oder optischen Übergängen in Exzitonen oder an Störstellen gebundenen Elektronen.

Eine Pressemitteilung von: Forschungsbund Berlin e. V.