Viola van Melis, Zentrum für Wissenschaftskommunikation |
07.04.2016 10:19
Hälfte der in Deutschland lebenden Syrer für Obergrenze
Aktuelle Emnid-Umfrage zeigt positive Haltung von Syrischstämmigen gegenüber neu ankommenden Flüchtlingen – Zugleich Sorge vor Ankunft von Terroristen – Umfassende Studie des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ der
Uni Münster
Vier Fünftel der schon länger in Deutschland lebenden Syrischstämmigen begrüßen nach einer Emnid-Umfrage die offene Politik des Landes gegenüber Flüchtlingen, die Hälfte der Befragten plädiert jedoch für eine Aufnahme-Obergrenze. Drei Viertel der Befragten zeigen Solidarität mit den Neuankömmlingen aus Syrien, nur ein Drittel befürchtet, dass sich die eigene Situation nun verschlechtere, wie die repräsentative Erhebung unter syrischstämmigen Zuwanderern und ihren Nachkommen in Deutschland weiter ergab, die der Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Universität Münster mit dem Meinungsforschungsinstituts TNS Emnid im vergangenen Vierteljahr durchführte. Zugleich fragen sich nach der bundesweiten Erhebung 46 Prozent, ob unter den neu ankommenden Flüchtlingen nicht auch viele Terroristen seien.
71 Prozent der Befragten sind der Überzeugung, dass die meisten ihrer geflüchteten Landsleute nach Syrien zurückkehren wollen, wenn der Krieg vorbei ist, wie der Leiter der Studie, Religionssoziologe Prof. Dr. Detlef Pollack, erläutert. Genauso hoch ist der Anteil derer, die meinen, „Deutschland kann es schaffen, die Probleme bei der Aufnahme der vielen Flüchtlinge zu bewältigen“. Dabei sind jedoch etwa zwei Drittel der Ansicht, dies könne nur gelingen, wenn sich in Staat und Gesellschaft noch viel ändere.
Viel Vertrauen in deutsche Fähigkeit zur Problemlösung
Für die Erhebung befragte das Meinungsforschungsinstitut TNS Emnid im Auftrag des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ von Dezember 2015 bis März 2016 insgesamt 500 Zuwanderer aus Syrien und ihre Nachkommen. Sie leben im Durchschnitt seit 20 Jahren in Deutschland, mindestens seit einem Jahr, andere seit vier Jahrzehnten. 20 Prozent der Befragten wurden in Deutschland geboren, 80 Prozent nicht. Die Hälfte hat die deutsche Staatsbürgerschaft, ein Drittel die syrische, 11 Prozent haben einen deutschen und einen syrischen Pass, vier Prozent einen syrischen und einen weiteren.
Religionssoziologe Prof. Pollack: „Insgesamt überwiegt unter den aus Syrien Zugewanderten und ihren Nachkommen die Offenheit gegenüber den neuankommenden Flüchtlingen und die Solidarität mit ihnen. Dabei ist es erstaunlich, wie groß das Vertrauen in die Fähigkeit Deutschlands ist, mit den Problemen in der Flüchtlingspolitik fertigzuwerden. Zugleich – und hier unterscheiden sich die syrischstämmigen Befragten kaum von der deutschen Mehrheitsgesellschaft – wird die klare Erwartung an die deutsche Politik und Gesellschaft gerichtet, den Integrationsprozess aktiv zu gestalten.“ Angesichts der Herausforderungen seien die Befragten nicht frei von Befürchtungen, etwa, was eine wachsende Konkurrenz im wirtschaftlichen und sozialen Bereich angehe. „Relativ groß ist auch die Angst, dass unter den Flüchtlingen viele Terroristen sein könnten – auch dies eine Sorge, die die Befragten mit vielen Menschen in der Mehrheitsgesellschaft teilen.“
Weitere Umfrageergebnisse über Integration und Diskriminierung
Die Ergebnisse sind Teil einer großen repräsentativen Umfrage des Exzellenzclusters mit TNS Emnid unter türkisch- und syrischstämmigen Menschen in Deutschland über Fragen der Integration, Diskriminierung, Religiosität und des Fundamentalismus. Ausführliche Ergebnisse veröffentlicht der Forschungsverbund in den kommenden Wochen. Die Emnid-Erhebung entsteht im Rahmen eines Forschungsprojektes, das am Exzellenzcluster unter der Leitung von Prof. Dr. Detlef Pollack und der Mitarbeit der Religionssoziologen Dr. Olaf Müller, Dr. Gergely Rosta und Anna Dieler durchgeführt wird.
Das Forscherteam um Prof. Pollack untersucht etwa, was Mitglieder der türkisch- und syrischstämmigen Minderheit, die überwiegend muslimisch geprägt ist, unter einer geglückten Integration verstehen, als wie integriert sie sich selbst im Hinblick auf Sprache, Kultur oder den Arbeitsmarkt einschätzen, welche Ausgrenzungen sie erfahren haben und welche Rolle sie Religionen in der Gesellschaft zuschreiben.
„Angesichts der wachsenden Religionsvielfalt in Deutschland verlaufen Spannungslinien oft zwischen der Mehrheitsgesellschaft und religiösen oder ethnischen Minderheiten“, erläutert Prof. Pollack. „Daher reicht es nicht aus, nur die Haltungen, Normvorstellungen und das Selbstbild der Mehrheitsgesellschaft zu erfassen. Vielmehr gilt es, auch die Haltungen, Deutungen, Wünsche und Abneigungen von Minderheiten sorgfältig zu analysieren. Politische und rechtliche Regelungen greifen nur in dem Maße, wie sie auf gesamtgesellschaftliche Unterstützung stoßen.“ (vvm)
Weitere Informationen:
http://www.uni-muenster.de/Religion-und-Politik/...