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VON Axel Burchardt  |  18.11.2015 11:15

Globale Probleme, globale Lösungen

Geograph der Universität Jena fordert in neuem Buch stärkere Vernetzung der Wissenschaft für mehr Nachhaltigkeit

Jena (sh/FSU) Die Welt hat sich viel vorgenommen. Während des Nachhaltigkeitsgipfels der Vereinten Nationen vor wenigen Wochen beschlossen die Vertreter der 193 Mitgliedsstaaten, die größten Probleme unseres Planeten – also Umweltzerstörungen, Klimawandel, Armut und Hunger – verstärkt in Angriff zu nehmen. Neben der Politik kommt vor allem der Wissenschaft eine entscheidende Rolle zu. Auch sie muss neue Wege finden, den Herausforderungen unserer Zeit zu begegnen und dabei zu helfen, eine nachhaltige Lebensführung zu ermöglichen.

Neues Buch „Global Sustainability“

Ideen dafür liefert das neue Buch „Global Sustainability“, das Prof. Dr. Benno Werlen von der Friedrich-Schiller-Universität herausgegeben hat. Die im Buch versammelten Beiträge sehen vor allem eines als unbedingt erforderlich an: eine neue Form der disziplinenübergreifenden Zusammenarbeit der Wissenschaften. „Wir brauchen eine bestimmte Art Transdisziplinarität – also Kooperationen, die über den ergänzenden Charakter des Interdisziplinären hinausgehen und Sozial- wie Geisteswissenschaften unverkürzt integrieren“, erklärt der Jenaer Sozialgeograph. „Denn die Probleme, vor die uns das 21. Jahrhundert stellt, sind ebenso vielfältig wie neu.“ Neue Herangehensweisen seien notwendig, um Lösungsansätze für die dringlichsten Probleme der Gegenwart zu entwickeln. Viele wissenschaftliche Theorien, gerade im Bereich der Umwelttheorien, entstammen dem Denken des 19. Jahrhunderts und sind von den damaligen Raumverhältnissen in Europa geprägt. „Um den Herausforderungen unserer Zeit entgegenzutreten, müssen wir jedoch den radikal veränderten Gesellschafts-Raum-Verhältnissen der Gegenwart Rechnung tragen“, sagt Werlen.

So haben die Globalisierungsprozesse das Verhältnis von Gesellschaft und Natur so sehr verändert, dass die historisch gewachsene disziplinär geordnete wissenschaftliche Arbeitsteilung sowie deren nationalstaatliche Verwaltung neu zu überdenken seien. Darüber hinaus müsse es ein Umdenken geben, denn das Gesellschaftliche dürfe nicht nachrangig zu sogenannten „Umweltproblemen“ angegangen werden. „Der Klimawandel ist dafür ein sehr gutes Beispiel“, sagt Werlen. „Es wird immer deutlicher, dass er auch das Resultat menschlichen Handelns ist. Deshalb sollte Nachhaltigkeitsforschung zunächst von gesellschaftlichen Praktiken und deren sozial-kulturellen Differenzierungen ausgehen. Nur so werden Veränderungen, die zu globaler Nachhaltigkeit beitragen können, im alltäglichen Leben auch tatsächlich umgesetzt.“ Und der Experte ergänzt: „Die größten Herausforderungen unserer Zeit kennen weder staatliche noch disziplinäre Grenzen. Und sie beruhen zum größten Teil auf beabsichtigten und unbeabsichtigten Folgen menschlichen Handelns.“ Diesem Umstand, so Werlen, sollte genuin transdisziplinäre Wissenschaft Rechnung tragen.

Wie eine transdisziplinäre Vernetzung funktionieren kann

In seinem Buch zeigt der Jenaer Wissenschaftler in vier Teilen, wie eine transdisziplinäre Vernetzung zwischen Natur-, Kultur- und Sozialwissenschaften funktionieren kann und welche Fortschritte es in diesem Bereich gibt. In den ersten beiden Teilen widmet sich der Sammelband einer systematischen Aufstellung der Probleme und möglicher wissenschaftlicher Lösungsansätze bzw. der Ausrichtung auf transdisziplinäre Wissenschaft. Das betrifft sowohl die Informationssuche als auch die Entwicklung von neuen Methoden. Im Blick haben die Autoren dabei vor allem das alltägliche Handeln von Menschen und dessen zum Teil problematische Folgen.

Im dritten und vierten Teil gibt das Buch internationale Beispiele für gelungene Transdisziplinarität. So beschreiben afrikanische Wissenschaftler, welche wichtige Rolle Sozialwissenschaftler bei der Untersuchung der Veränderung der Landwirtschaft im südlichen Afrika im Kontext des Klimawandels gespielt haben. Neben solchen Kooperationen zwischen Sozial- und Naturwissenschaften liefert das Buch auch gelungene Ansätze für die Zusammenarbeit von Politik und Wissenschaft, etwa beim Katastrophenmanagement in Indonesien.

International Year of Global Understanding“

Dass Benno Werlen es keineswegs beim Verfassen neuer Bücher oder Theorien belässt, zeigt auch sein aktuelles Engagement: Der Sozialgeograph von der Universität Jena hat das „International Year of Global Understanding“ initiiert, das 2016 weltweit und disziplinenübergreifend durchgeführt wird. Mehr unter: www.global-understanding.info/de.