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VON Marco Bosch  |  29.10.2015 10:30

Sieben Schlüssel zur Kreativität

Soeben ist Sascha Friesikes Buch "Kreativcode - Die sieben Schlüssel für persönliche und berufliche Kreativität" im Hanser Verlag erschienen. einBLICK sprach mit dem Professor für Betriebswirtschaftslehre über Kreativität, die Besonderheiten des Buchs und darüber, wie eigentlich Neues entsteht.



Herr Friesike, an der Uni Würzburg leiten Sie den Lehrstuhl Betriebswirtschaftslehre, Unternehmensgründung und Unternehmensführung. Warum ein Buch zu Kreativität?

Ich beschäftige mich an der Universität Würzburg hauptsächlich mit Innovationsmanagement und Entrepreneurship. Also mit den Fragen, wie Unternehmen dazu kommen, neue Ideen zu entwickeln, und wo eigentlich neue Firmen herkommen. Es geht grundsätzlich um die Frage, wie Neues entsteht und wie ich dafür bestehende Strukturen nutzen kann. Das ist sicher nicht das, was man als die klassische Kernbetriebswirtschaftslehre von Finanzierung und Absatz versteht. Ich glaube aber, Kreativität ist eine Fähigkeit, die immer wichtiger wird. Firmen, die über lange Zeit ein und dasselbe Produkt herstellen, gibt es kaum. Sie müssen sich immer wieder neu erfinden.

Und wie entsteht Neues?

Neues entsteht grundsätzlich immer dadurch, dass jemand verschiedene Dinge, die es schon gibt, in einer bisher unbekannten Form zusammenbringt. Ein Beispiel ist das Wagenrad. Es ist eine Kombination von bestehenden Techniken; Schlitten zum Befördern von schweren Lasten und runden Scheiben aus der Töpferei. Irgendjemand in Mesopotamien vor fünfeinhalbtausend Jahren hatte die Idee, solche Scheiben mal an einen Schlitten zu schrauben. Hierfür bedarf es Kreativität.

Kommen wir also zur Kernfrage: Wie entsteht denn Kreativität?

Man hat lange versucht herauszufinden, was einen kreativen Menschen ausmacht. Da ist man aber nie richtig fündig geworden. Es gibt diese eine "Killer-Fähigkeit" nicht, die einen zu einem kreativen Menschen macht. Von größerer Bedeutung ist der Kontext, in dem die Menschen unterwegs sind. Wenn man mit Menschen aus anderen Bereichen zusammen kommt, die andere Betrachtungswinkel mitbringen, und eine offene Atmosphäre herrscht: dann entsteht Kreativität.

Worum geht es konkret in Ihrem Buch?

Die Wissenschaft weiß schon viel zu dem Thema Kreativität: Es gibt viele Anleitungen und Prozesse, die bereits beschrieben sind. Auch haben viele Menschen Lust, sich damit auseinanderzusetzen, da Kreativität an Bedeutung gewinnt. Unsere Arbeitsprozesse werden beispielsweise immer unvorhersehbarer. Wir müssen uns in einer zunehmenden Anzahl von Fällen am eigenen Schopf aus einem Schlamassel ziehen, Lösungswege finden für bisher nicht bekannte Fragestellungen und Anforderungen. Die vielen Informationen, die es dazu bereits gibt, werden aber nicht wirklich unterrichtet, sind selten Bestandteil von Fortbildungen. Insgesamt ist das Feld zudem weit gefächert und schwer zu durchschauen. Unser Buch entspringt einer Präsentation. Oliver Gassmann und ich haben uns gefragt: Kann man die spannendsten Fakten in einzelne Themen verdichten, die jeweils auf nur einer Folie dargestellt werden.

Kann man?

Ja. Uns fiel auf, dass wir das Thema in sieben Kategorien teilen können, für die in dem Buch sieben Comic-Charaktere stehen: ein Künstler, Rebell, Enthusiast, Asket, Träumer, Imitator, Virtuose: KREATIV. Nach dem Okay vom Hanser Verlag haben wir das für das Buch weiter ausgearbeitet. Wie grenzt sich "Kreativcode" von anderen Büchern zu dem Thema ab? Es ging uns nicht darum, einen Ratgeber zu schreiben oder eine weitere Sammlung von Kreativitätstechniken. Im unserem Buch geht es darum, wie ich die Grundvoraussetzungen schaffe, damit sich Kreativität entfalten kann.

Können Sie uns ein Beispiel nennen?

Es gibt etliche Untersuchungen, die sich mit dem Zusammenhang von Büroausstattung und Kreativität auseinandersetzten. Einige Ergebnisse überraschen vermutlich kaum, wie etwa die Erkenntnis, dass sich Büros mit Fenstern positiv auf die Kreativität auswirken. Doch ein Ergebnis stellt unsere grundsätzliche Handhabung von Büroeinrichtungen infrage. So zeigt eine Studie von Jan Dul, dass Mitarbeiter, die ihr Büro selbst einrichten durften, deutlich mehr Kreativität verspüren als diejenigen, die in einem Büro arbeiten, das jemand anderes eingerichtet hat. Das ist einleuchtend und für sich genommen keine spektakuläre Erkenntnis. Im Grunde weiß das auch jeder, aber dennoch gehen viele von uns jeden Morgen in vollgestellte Büros und wir wundern uns, dass es dort nicht so richtig funktioniert.

Was möchten Sie bei dem Leser auslösen?

Wir möchten Denkanstöße geben: Welche Rolle spielt Licht, welche Rolle spielt Farbe? Wir unterscheiden uns alle darin, wie es uns liegt zu arbeiten. Wenn wir in uns reinhorchen, ist uns vieles bereits klar – wir wissen, welche Umgebung uns kreativer arbeiten lässt. Aber wir gehen zu selten den Schritt, dieses Wissen einzusetzen und für uns einzufordern. Schön wäre, wenn der Leser nach der Lektüre selbst reflektiert und sich fragt, was er in Bezug auf anstehende Aufgaben vielleicht verändern kann.

Hat es Sinn, wenn große Firmen einzelne Mitarbeiter abstellen, damit sich diese um Innovationen kümmern?

Das ist eher gefährlich: Es kann von den anderen Mitarbeitern so verstanden werden, dass sie sich um neue Ideen nicht mehr kümmern müssen. Die lassen sozusagen sofort den Stift fallen. Ein zweiter Punkt: Wenn gespart werden muss, ist dies oft die erste Person, die gehen muss. Im Gegenteil: Wir müssten mit der Fähigkeit, Probleme zu erkennen und auf neue Art und Weise zu lösen, möglichst viele Mitarbeiter ausstatten.

Vielen Dank für das Gespräch.

Zur Person:
Professor Sascha Friesike vertritt aktuell den Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, Unternehmensgründung und Unternehmensführung. Der Wirtschaftsingenieur hat in Berlin studiert und an der Universität St. Gallenpromoviert. Neben seiner Tätigkeit in Würzburg leitet der Berliner in seiner Heimatstadt mehrere Forschungsprojekte am Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft. Das Buch "Kreativcode" hat er gemeinsam mit seinem ehemaligen Doktorvater Oliver Gassmann geschrieben, die Illustrationen stammen aus der Feder von Constanze Feige. Mit seinem Koautoren hat Friesike vor kurzem zudem einen Artikel im Wirtschaftsmagazin Capital publiziert: "Kreativität gehört zum Arbeitsalltag. Aber unsere Büros fördern den Einfallsreichtum der Mitarbeiter nicht." Hier online abrufbar: http://www.capital.de/themen/denkraeume-schaffen-kreativitaet-zulassen.html