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VON Klaus Prem  |  06.10.2015 10:19

Schwingende Lichtmoleküle

Augsburger und Münchner NIM-Forschern gelingt die Kontrolle von Lichtmolekülen mit nanomechanischen Schallwellen und die Konvertierung solcher Wellen in optische Signale

Augsburg/München/HK/KPP - Wissenschaftlern des Instituts für Physik der Universität Augsburg und des Walter Schottky Instituts der Technischen Universität München ist es bei ihren gemeinsamen Forschungen im Rahmen des Exzellenzclusters „Nanosystems Initiative Munich“ (NIM) gelungen, mit nanomechanischen Schallwellen ein „Lichtmolekül“ zu kontrollieren, das von zwei benachbarten nanophotonischen Resonatoren gebildet wird. Das von Prof. Dr. Hubert Krenner am Augsburger Lehrstuhl für Experimentalphysik I (Prof. Dr. Achim Wixforth) geleitete NIM-Forscherteam beschreibt in einem soeben in Nature Communications publizierten Beitrag, dass die Vibration der Schallwellen die beiden Resonatoren, die das photonische Molekül bilden, mit einer bislang nie dagewesenen Geschwindigkeit, verbinden und trennen.

Für ihre Experimente nutzten Krenner und sein Doktorand Stephan Kapfinger in ihrem Augsburger Labor Halbleitermembranen in Nanometerstärke, in die sie unter Reinraumbedingungen eine große Zahl periodisch angeordneter winzigster Löcher bohrten. Mit solch einer Struktur kann ein sogenannter photonischer Kristall, Licht mit exakt definierter Energie bzw. Farbe also, eingefangen werden, und zwar in einem Nanoresonator, der entsteht, wenn die Regelmäßigkeit der Bohrungen durch den minimalen Defekt dreier fehlender Löcher unterbrochen wird.

Gemeinsam mit der Forschergruppe um Dr. Michael Kaniber und Prof. Dr. Jonathan Finley an der TU München entwarfen und bauten Kapfinger und Krenner ein photonisches Molekül in Form zweier solch aneinandergrenzenden Nanoresonatoren, in denen Photonen, einzelne Lichtquanten also, hin- und herschwingen können. „In unserem Lichtmolekül verhalten sich die Photonen exakt so wie sich die Elektronen verhalten, die in einem Wasserstoffmolekül eine chemische Verbindung verursachen. Während die beiden Wasserstoffatome, die ein H2-Molekül bilden, von Natur aus absolut identisch sind, sind dies die von uns konstruierten - künstlichen - nanophotonischen „Atome“ in aller Regel nicht. Und diese winzigen, im Nanobereich liegenden Abweichungen künstlich erzeugter photonischer „Atome“ sind der Realisierung photonischer Bauelemente oder gar photonischer Schaltkreise im Wege gestanden“, erläutert Kapfinger.

Die Augsburger Nanowissenschaftler haben dieses Problem nun mit einem eleganten Trick gelöst: Mit einem „Nanoerdbeben“ auf einen Chip erzeugten sie eine extrem kleine Schallwelle, mit der sich die eine der beiden Nanoresonatoren ihres photonischen Moleküls komprimieren und die andere zugleich entsprechend dehnen lässt. „Auf diese Weise“, so Krenner, „können wir die herstellungsbedingten Minimalabweichungen zwischen beiden ausgleichen und für einen kurzen Moment absolute Identität, wie sie bei den beiden Atomen des Wasserstoff-Moleküls gegeben ist, herstellen, wobei dieser Moment auf dem Wellenzyklus sich exakt definieren lässt und dadurch die absolute Kontrolle über die Verbindung beider Resonatoren ermöglicht.“

„Es war faszinierend zu sehen“, berichtet Kapfinger, „dass die beiden Resonatoren nicht, wie man eigentlich annehmen würde, dasselbe Licht abstrahlen, sondern dass die Farben sich gegenseitig gewissermaßen abstoßen. Der Unterschied zwischen ihnen spiegelt die Intensität der „Bindung“ des photonischen Moleküls wider. Schon viele Forscher haben an der Messung dieser Effekte hart, aber mit bislang wenig Erfolg gearbeitet.“ Krenner ergänzt: „Mit unserem Experiment konnten wir nicht nur zeigen, wie man ein Lichtmolekül mit bislang nicht gekannter Geschwindigkeit messen und kontrollieren kann. Wir konnten darüber hinaus auch zeigen, dass nanomechanische Wellen effizient in optische Signale konvertiert werden können. Das ist quantenmechanische Kontrolle im wahrsten Sinne des Wortes.“

Die Pionierarbeit und langjährige Erfahrung Wixforths und seines Augsburger Lehrstuhls auf dem Gebiet Akustischer Oberflächenwellen (Surface Acoustic Waves / SAW) führt bereits seit vielen Jahren immer wieder zu wegweisenden Ergebnissen und Anwendungen, die sich auf das ganze Spektrum der Nanowissenschaft erstrecken und weltweit Aufmerksamkeit gefunden haben. „SAW - unsere ganz spezielle Methode, auf die wir hier in Augsburg besonders stolz sind - hat jetzt auch im Bereich der Nanophotonik ihr Potential mit einem spektakulären Ergebnis bewiesen“, freut sich der Augsburger Nanowissenschaftler und NIM Principal Investigator.

Denn die photonischen Kristallstrukturen, die jetzt mit seinem SAW-Verfahren entwickelt und untersucht wurden, sind insoweit enorm relevant, als sie sich zu großdimensionierten, integrierten Lichtschaltkreisen erweitern lassen - und zwar auch in der Quantenwelt. Dies rechtfertigt die Erwartung eines möglichen Ausbaus des Systems bis hin zum optischen Quantencomputer. „Ihn“, so Wixforth, „hat unser Schütteln und Rütteln photonischer Kristalle durch exakt dimensionierte Nanobeben ein Stück näher gebracht.“

Die Untersuchungen der Augsburger Physiker und ihrer Kollegen von der TU München werden von der Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) über deren Emmy Noether Programm (KR 3790/2-1) und über den DFG-Sonderforschungsbereich 631 unterstützt und im Rahmen der Exzellenzinitiative durch den Cluster Nanosystems Initiative Munich (NIM).