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VON Klaus Prem  |  05.10.2015 10:08

Don’t take your guns to town

Eine Ausstellung über "Johnny Cash und die Amerikaner in Landsberg 1951-54" - Augsburger Geschichtsstudentinnen und -studenten haben sie mit konzipiert und gestaltet.

Augsburg/ST/KPP - „Don’t Take Your Guns To Town“ – so wurden die amerikanischen Soldaten, die in den 1950er Jahren auf dem Fliegerhorst Penzing stationiert waren, ermahnt, wenn sie Ausgang in die Stadt Landsberg bekamen. Und so lautet auch der Titel einer Ausstellung über „Jonny Cash und die Amerikaner in Landsberg 1951-54“, die am Abend des 9. Oktober im Neuen Stadtmuseum Landsberg eröffnet und dort dann bis zum 31. Januar 2016 zu sehen sein wird. Mit konzipiert wurde diese Ausstellung im Sommersemester 2015 von zwölf Augsburger Studentinnen und Studenten des Fachs Neuere und Neueste Geschichte unter der Leitung von Privatdozentin Dr. Edith Raim.

Johnny Cash aus Arkansas, den seine Mitte der 1950er Jahre beginnende Weltkarriere zum wohl berühmtesten Countrysänger der Welt und noch zu Lebzeiten zur Legende machte, war, als er im Alter von 19 Jahren 1951 für drei Jahre auf dem Fliegerhorst Penzing bei Landsberg stationiert wurde, noch ein Nobody - als Musiker jedenfalls.

Musikalisch noch ein Nobody, aber ein Ass im Morsen

In seinem damaligen Job freilich machte er bereits von sich reden: Als ausgebildeter Funker war er Abhörspezialist der 12th Radio Squadron Mobile auf der Landsberg Air Base. Diese mobile Funkschwadron war darauf spezialisiert, die Morsesignale des sowjetischen Funkverkehrs abzuhören. Und im Morsen war Cash offenbar tatsächlich so überragend, wie er von sich selbst einmal behauptete: „Mein linkes Ohr war so gut, dass ich in Landsberg, von wo aus der Sicherheitsdienst der US Air Force weltweit den Funkverkehr überwachte, als absolutes Ass galt.“ Jedenfalls soll er im März 1953 der Erste im Westen gewesen sein, der die Nachricht von Stalins Tod aus dem Äther fischte.

Wahre Geschichten und Märchen

„Um Johnny Cashs Zeit in Landsberg ranken sich zahlreiche Geschichten - manche stimmen, manche nicht“, meint Sonia Fischer, die Leiterin der Städtischen Museen Landsberg. So habe Cash z. B. tatsächlich seine erste Gitarre im Landsberger Musikhaus Ballach an der Ecke Schulgasse/Hinterer Anger gekauft. Und ebenfalls zutreffend sei, dass er seine erste Band, die „Landsberg Barbarians“ - eine Anspielung auf die in Landsberg verlegte Truppenzeitung „The Landsberg Bavarian“ -, auf dem Truppenstützpunkt gegründet hat. Märchen hingegen sei etwa, dass der Song „I Walk the Line“ in Landsberg entstanden sei, als beim Fußballspielen in einem Hobbyverein Cashs Mitspieler ihm zugerufen hätten: „Johnny, lauf Linie!“

Exemplarisch für das Leben der GIs in Deutschland

Wahr wiederum ist, dass er dieses Lied für seine Verlobte Vivian Liberto geschrieben hat, die er erst wenige Monate vor seiner Stationierung in Deutschland kennengelernt hatte. „Fast täglich schrieb er ihr von Landsberg aus einen Liebesbrief, denn den Mannschaftsdienstgraden war lediglich ein Telefonat im Jahr erlaubt“, erzählt Edith Raim und betont: „Was Cash in Landsberg erlebt hat, ist exemplarisch für das, was unzählige andere GIs erlebt haben, die in Deutschland mit Heimweh kämpften.“ Johnny Cashs Lebensweg zwischen 1951 und 1954, wie er in der Ausstellung “Don’t take your guns to town“ nachgezeichnet werde, stehe stellvertretend für Hunderttausende junger amerikanischer Männer, die sich zur US-Armee verpflichteten, die über Bremerhaven nach Deutschland eingeschifft wurden und die in Westdeutschland dann meist für drei Jahre Dienst taten.

Demokratisierung von oben und - via Popkultur - auch von unten

Insgesamt waren es nicht weniger als 22 Millionen US-Bürgerinnen und -Bürger - in aller Regel Angehörige der Streitkräfte und deren Familien -, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bis in die 1990er Jahre hinein in Deutschland gelebt haben. Aus gutem Grund spricht man hier von einem der „größten Kulturaustauschpramme der Weltgeschichte“. Diese US-Präsenz brachte zum einen die Demokratisierung „von oben“. Sie machte Westdeutschland zum anderen aber auch zum Aufnahmeland einer demokratischen Populärkultur „von unten“. Diese populärkulturellen Einflüsse wurden in erster Linie von den GIs persönlich transportiert: Nicht minder als ihr als lässig und besonders männlich empfundenes Auftreten wurde insbesondere auch die neue Musik adaptiert, die mit ihnen aus den USA nach Europa herüberschwappte.

Landsberger Erfahrungen in Welthits verwandelt

Und hier wächst Johnny Cash über seine Beispielrolle für das Leben des in Deutschland stationierten GIs, die er in der Landsberger Ausstellung spielt, hinaus: Als Repräsentant dieser neuen Musik - sei’s in Form von Country, von Rock’n’Roll oder von Rockabilly - wurde er später zu einem besonders prominenten Botschafter des „American Way of Life“, wobei seine musikalischen Anfänge tatsächlich in seiner Landsberger Militärzeit wurzeln: Hier schrieb er den Song „Wide Open Road“ oder eben auch die 1958 dann veröffentlichte Country-Ballade „Don’t take your guns to town“ - ein Lied über einen jungen Mann namens Billy Joe, hinter dem sich Billy Joe Carnahan verbirgt, einer seiner Kameraden, mit denen Cash auf dem Fliegerhorst Penzberg Musik machte. Und die Inspirationen zu „Blue Suede Shoes“ oder zum „Folsom Prison Blues“ gehen ebenfalls auf Cashs Landesberger Zeit bei der Air Force zurück. Raim: "Einer der aus heutiger Sicht wohl berühmtesten US-Soldaten der frühen Nachkriegszeit hat die Erfahrungen, die er in Landsberg machte, und die Erinnerungen, die er an Deutschland hatte, in diejenige Musik verwandelt, die ihn zum Weltstar machte."

Bislang unveröffentliche Fotos und Zeitzeugeninterviews

Dies zeigt die Ausstellung "Don't take your guns to town" ebenso, wie sie den Alltag der US-Besatzungstruppen in den frühen 1950er Jahren am Beispiel Johnny Cashs plastisch macht - anhand einer Vielzahl von Exponaten, unter denen sich auch zahlreiche bislang unveröffentlichte Fotos aus Privatbesitz befinden, aber auch z. B. anhand von Zeitzeugeninterviews mit US-Veteranen und mit Landsberger Bürgerinnen und Bürgern, die vom Stadtmuseum und den Augsburger Studentinnen und Studenten gemacht wurden.

Bis zum 31. Januar 2016 mit umfangreichem Begleitprogramm

Die Ausstellung wird am 9. Oktober 2015 im Neuen Stadtmuseum Landsberg (Von-Hefenstein-Gasse 426, 86899 Landsberg am Lech) für geladene Gäste eröffnet. Sie ist dort dann bis zum 31. Januar 2016 zu sehen (dienstags bis freitags von 14.00 bis 17.00 Uhr, an Wochenenden und Feiertagen von 11.00 bis 17.00 Uhr; Eintritt 5,- bzw. 2,50 Euro). Begleitet wird die Ausstellung von zahlreichen Sonderveranstaltungen, darunter Führungen, Vorträge, Lesungen und Exkursionen und auch ein Johnny Cash Coversong-Wettbewerb (siehe https://idw-online.de/de/attachmentdata45477.pdf).

Katalog im Volk Verlag erschienen

Der von Edith Raim und Sonia Fischer, der Leiterin der Städtischen Museen Landsbergs, im Volk Verlag herausgegebene 152-seitige und mit zahlreichen Abbildungen versehene Katalog zur Ausstellung enthält Beiträge von Raim selbst und von ihren Augsburger Neuhistoriker-Kollegen Tobias Brenner und Stefan Paulus, weiterhin von Philipp Gassert (Universität Mannheim) sowie von Judith Schnaubelt (Bayerischer Rundfunk) und Willi Winkler (Süddeutsche Zeitung) - siehe http://www.volkverlag.de/shop/dont-take-your-gun-to-town

Pressemitteilung der Universität Augsburg