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VON Axel Burchardt  |  18.09.2015 10:12

2016 wird das International Year of Global Understanding (IYGU)

„Brücken bauen zwischen globalem Denken und lokalem Handeln“

In einer gemeinsamen Erklärung riefen am 13. September 2015 im südafrikanischen Durban die drei Weltdachverbände der Natur-, Sozial- und Geisteswissenschaften – das International Council for Science (ICSU), das International Social Science Council (ISSC) und das International Council for Philosophy and Human Sciences (CIPSH) – das Jahr 2016 als International Year of Global Understanding (IYGU) aus. Das internationale Themenjahr wirbt für eine neue Perspektive auf den eigenen Alltag, indem die lokale Lebensweise in einem globalen Zusammenhang gedacht wird. Damit soll zu einem besseren Verständnis von lokalen und globalen Zusammenhängen beigetragen werden und Unterstützung für politische Initiativen, die sich globalen Herausforderungen wie beispielsweise dem Klimawandel, der Ernährungssicherheit oder der Migration annehmen, angeregt werden.

(Jena) „Wir wollen Brücken zwischen globalem Denken und lokalem Handeln bauen“, sagt Prof. Dr. Benno Werlen von der Friedrich-Schiller-Universität Jena . „Nur wenn wir die Auswirkungen unserer alltäglichen Entscheidungen – z. B. beim Essen, Trinken oder Arbeiten – auf den Planeten als Ganzes verstehen, können wir sinnvolle und effektive Veränderungen vornehmen“, so Werlen, der das Themenjahr initiiert hat.
Die Übersetzung von wissenschaftlichen Erkenntnissen in eine nachhaltigere Lebensweise steht insbesondere im Fokus des IYGU 2016. Besonders in den drei Feldern Forschung, Bildung und Information sind eine Reihe von Aktivitäten und Initiativen geplant. Über Fragen des Umweltschutzes und der Klimapolitik hinaus werden vor allem Fragen der Lebensqualität und der nachhaltigen, dauerhaften Nutzung lokaler Ressourcen thematisiert.
„Wir leben in der historisch am stärksten vernetzten Gesellschaft, die jedoch gleichzeitig von Konflikten, Vertreibungen und Ungewissheiten zerrissen ist – eine beunruhigende und verstörende Mischung aus immensen Möglichkeiten und existenziellen Risiken“, sagt Lord Anthony Giddens, ehemaliger Direktor der London School of Economics. „Hier eine positive Balance zu finden, erfordert ein grundsätzliches Umdenken und neue Formen der Kollaboration – von der Art, wie IYGU sie anbietet“, fügt er hinzu.

„Nachhaltige Entwicklung ist eine globale Herausforderung. Ihr zu begegnen erfordert eine Transformation des Lokalen und damit der Art, wie jeder von uns lebt, konsumiert und arbeitet. Während internationale klimapolitische Verhandlungen die Nachhaltigkeitskrise ‚von oben’ zu lösen versuchen, ergänzt IYGU dies in hervorragender Weise durch koordinierte Lösungen ‚von unten’, indem Individuen dabei unterstützt werden, ihre alltäglichen Gewohnheiten zu verändern. Dieser zweifache Ansatz erhöht unsere Erfolgschancen beim Versuch, die wohl gravierendste Krise zu überwinden, der sich die Menschheit bislang gegenübersah“, so der Nobelpreisträger und ehemalige ICSU-Präsident Yuan-Tseh Lee.

Nachhaltigere Lebensweise vorstellen

An jedem Tag des Jahres 2016 soll im Rahmen des IYGU anhand eines Praxisbeispiels eine nachhaltigere Lebensweise beworben werden. Mit sogenannten „Fibeln des Alltags“ wird darüber hinaus auf die kulturelle und lokale Vielfalt nachhaltiger Alltagspraxis hingewiesen und ein entsprechender Wandel angestoßen.
„Mehr denn je wird es in der Globalisierung darauf ankommen, immer wieder die Kraft aufzubringen, auch die Positionen von Gedanken und Erwartungen anderer verstehen zu lernen und die Bereitschaft für Dialog zu entwickeln an Stelle von Konfrontation“, sagt Klaus Töpfer, Exekutivdirektor des Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) in Potsdam.
Mit dem Fokus auf konkrete, lokale Handlungen eröffnet sich zugleich die Möglichkeit, neue Ideen für Schul-Curricula oder zukünftige Forschungsprogramme zu generieren und bereits bestehende Projekte zu komplementieren. Der Bottom-up-Ansatz des Internationalen Jahres ergänzt z. B. die globale Forschungsinitiative „Future Earth“ oder die „Post-2015 Development Agenda“ der Vereinten Nationen sowie die UN-Dekade „Bildung für Nachhaltige Entwicklung“.
Als ein eindrückliches Beispiel dafür, wie kulturell sensible Wissenschaft eine Veränderung von Alltagspraktiken im Sinne globaler Nachhaltigkeit erreichen kann, führt Benno Werlen die Umweltverschmutzung durch Plastikmüll in Ruanda an. „Ein verbreitetes und hartnäckiges Problem. Ausschlaggebend war schließlich die Einsicht, dass Plastik für wiederkäuende Tiere – insbesondere für die in Ruanda kulturell bedeutsamen Kühe – gefährlich ist. Schließlich nahm sich die Umweltgesetzgebung des Problems an. Aus Plastik hergestellte Gegenstände wie Flaschen, Tüten usw. wurden verboten, mit dem Ergebnis, dass heutzutage in Ruanda kaum noch Gegenden zu finden sind, die durch Plastikmüll verschmutzt sind“, sagt der Jenaer Geograph. Das Engagement von ISSC, ICSU und CIPSH garantiert eine breite Zusammenarbeit zwischen den Natur-, Sozial- und Geisteswissenschaften jenseits von Disziplingrenzen, getragen von weltweiter Beteiligung von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen. So werden die Aktivitäten des Internationalen Jahres weltweit von ca. 50 „Regional Action Centers“ initiiert und koordiniert. Der Aufbau dieses Netzwerkes ist bereits weit vorangeschritten. Unter anderem werden aktuell mit Institutionen in Tokio, Washington, Tunis, Moskau, Rom u. a. Verhandlungen geführt. Peking, Mexiko Stadt, Sao Paulo, Mação/Coimbra, Nijmegen, Hamilton, Bamako, Kigali u. a. haben der Ansiedlung eines „Regional Action Centers“ bereits zugestimmt. Das IYGU-Generalsekretariat in Jena wird die Koordination dieser Zentren übernehmen. Weitere Informationen zum International Year of Global Understanding sind abrufbar auf der Webseite: www.global-understanding.info.