VON ANDREA WEBER TUCKERMANN |
27.03.2015 10:21
Sanfter Einblick in die Nano-Welt
Elektronenmikroskopie-Großprojekt „SALVE“ startet mit neuem Partner in finale Phase
Mit der Unterschrift unter die Kooperationsvereinbarung ist es nun offiziell: Die Forschungsinitiative zur Entwicklung eines so genannten Niederspannungstransmissions-elektronenmikroskops „SALVE“ startet erfolgreich in die finale Phase. Das an der
Universität Ulm angesiedelte Langzeitprojekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und dem Land Baden-Württemberg seit 2009 mit Fördergeldern von über zehn Millionen Euro unterstützt. Projektpartner von „SALVE“ – die Abkürzung steht für Sub-Angstrom Low-Voltage Electron Microscopy – ist neben der Heidelberger CEOS GmbH, die von Anbeginn mit dabei ist, seit März 2015 die Firma FEI. Das US-amerikanische Unternehmen ist einer der weltweit führenden Hersteller von Plattformen zur Transmissionselektronenmikroskopie (TEM). Die Zeiss AG, die „SALVE“ noch in der ersten fünfjährigen Förderphase mitgetragen hat, ist 2014 aus unternehmensstrategischen Gründen ausgestiegen.
„Wir sind sehr froh darüber, dass sich die Firma FEI unserer Forschungsinitiative angeschlossen hat und SALVE damit in die finale Phase treten kann“, so Professorin Ute Kaiser, Leiterin der Materialwissenschaftlichen Elektronenmikroskopie an der Universität Ulm und Leiterin des SALVE-Projektes. Im Mittelpunkt des Projektes steht die Entwicklung eines sogenannten Niederspannungs-Transmissionselektronenmikroskops, das in der Lage ist, strahlempfindliche Materialien möglichst schonend auf ihre molekulare und atomare Struktur hin zu „durchleuchten“. „Denn herkömmliche Transmissionselektronenmikroskope benötigen zur atomaren Abbildung eine Spannung von 200 oder 300 kV. Dabei werden die Elektronen auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und können empfindliche Materialien nicht nur schädigen, sondern sogar zerstören“, erklärt Trisha Rice, VP & GM der Materials Science Business Unit der Firma FEI.
Die Neuentwicklung soll in einem Spannungsbereich von 20kV bis 80kV arbeiten, der dafür Sorge trägt, dass empfindliches Probenmaterial, beispielsweise aus Biomolekülen oder zweidimensionalen Nano-Materialien wie Graphen, beim Mikroskopieren nicht beschädigt werden, bevor das Bild entstanden ist. Um dennoch eine hohe Auflösung zu erreichen, werden spezielle Komponenten zur Korrektur der Farbfehler eingesetzt. Da TEM-Geräte, die mit Niederspannung arbeiten, an sich schon einen höheren Bildkontrast liefern, gewinnt die Bildqualität durch die Verbesserung der Auflösung zusätzlich.
Die technologische Herausforderung besteht nicht zuletzt in der Korrektur auftretender elektronenoptischer Aberrationen. „War für die Optimierung der Bildqualität bei der Mittelspannungstransmissionselektronenmikroskopie nicht zuletzt die Korrektur der Öffnungsfehler entscheidend, so steht bei der Niederspannungsmikroskopie zusätzlich die Bereinigung von Farbfehlern der Objektivlinse im Vordergrund“, erläutert Professor Max Haider, Gründer der Heidelberger Firma CEOS GmbH, die auf die Entwicklung und Herstellung von fehlerkorrigierten elektronen-optischen Systemen spezialisiert ist.
Als Grundlage für die Entwicklung des kompletten Niederspannungs-Systems kommt ein für die Niederspannungsmikroskopie optimiertes Transmissionselektronenmikroskop der Firma FEI zum Einsatz. Das Modell Titan Themis, welches eines der weltweit ersten und zugleich leistungsfähigsten kommerziellen Geräte dieser Art ist. Die Wissenschaftler der Universität Ulm kümmern sich dagegen um anwendungsorientierte Fragestellungen sowie um die Entwicklung von Methoden zur Probenaufbereitung und um die theoretischen Grundlagen zur Bildentstehung bei niedrigen Spannungen.
„Mit dieser neuartigen Technologie eröffnen sich völlig neue Anwendungsfelder in einem wichtigen Forschungsschwerpunktgebiet der Universität Ulm. Unser Gerät wird weltweit das erste farb- und öffnungsfehlerkorrigierte Mikroskop dieser Klasse sein, und es wird insbesondere im Grenzbereich zwischen den Material- und Biowissenschaften wertvolle Dienste leisten“, sind die Wissenschaftler zuversichtlich.
Obwohl das Gerät noch in der Entwicklungsphase ist, konnten die Ulmer Forscher mit ihrem öffnungsfehlerkorrigierten Titan bei 80 kV die kristalline Struktur einer einlagigen Wasserschicht in einem Graphen-„Sandwich“ aus dünnstmöglichen Kohlenstofflagen sichtbar machen - wie sich nach Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern aus England und China herausstellte. Publiziert wurden diese faszinierenden Einblicke in den Nanokosmos einer alltäglichen Flüssigkeit in der renommierten Fachzeitschrift „Nature“.