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VON ROBERT EMMERICH  |  02.12.2014 14:39

Spannende Mathematik mit faszinierenden Anwendungen

Roland Griesmaier ist seit diesem Semester neuer Professor in der Mathematik. Inverse Probleme sind sein Spezialgebiet. Diese bestechen durch vielversprechende Anwendungen und halten für Mathematiker zahlreiche attraktive Fragestellungen bereit.

Wenn Röntgenstrahlen den Brustkorb eines Patienten durchqueren, und die Verteilung von Knochen und Gewebe samt deren typischem Abschwächungsverhalten genau bekannt sind, lässt sich das Ergebnis dieser Untersuchung mit Hilfe eines mathematischen Modells relativ einfach vorhersagen.

Aber ist denn auch der andere – quasi inverse – Weg möglich? Sprich: Kann man anhand von Messungen des Intensitätsverlusts von Röntgenstrahlung beim Durchqueren eines menschlichen Körpers ein Bild der Verteilung von Gewebe und Knochen im Inneren dieses Körpers gewinnen? Die Antwort ist Ja! Entsprechende Methoden sind seit Langem im Alltag der Menschen verankert und als Computertomographie bekannt.

Was inverse Probleme sind

Fragestellungen dieser Art, bei denen anhand von Beobachtungen des aktuellen Zustands eines Systems oder der Ergebnisse von Experimenten Rückschlüsse auf qualitative oder quantitative Eigenschaften eines zugrundeliegenden mathematischen Modells gezogen werden sollen, bezeichnet man in der Mathematik als „Inverse Probleme“. Mit solchen Problemen beschäftigt sich Roland Griesmaier, der seit Oktober Professor für Mathematik am Lehrstuhl für Mathematik IX der Universität Würzburg ist.

„Mathematische Modelle sind heute als vereinfachte Darstellung der Realität ein unverzichtbares Werkzeug der modernen Wissenschaft“, sagt Griesmaier. Mit ihnen lassen sich komplexe Systeme beschreiben und systematisch erforschen; sie kommen traditionell zum Einsatz, wenn es darum geht, zukünftige Zustände eines Systems oder ganzer Experimente auf der Basis von Beobachtungen des aktuellen Zustands vorherzusagen. Darüber hinaus hat sich in jüngerer Vergangenheit auch die Untersuchung entsprechender inverser Probleme zu einem sehr aktiven Forschungsgebiet entwickelt.

Starker Bezug zur Praxis

Bessere bildgebende Verfahren in der Medizin, die Suche nach neuen Lagerstätten in der Geologie, zerstörungsfreie Werkstoffprüfung, die Überwachung von Mehrphasenströmungen im Chemieingenieurwesen, die Rekonstruktion verschwommener oder beschädigter Bilder – das Aufgabenspektrum ist groß.

„Das Arbeitsgebiet von Mathematikerinnen und Mathematikern reicht dabei von theoretischen Fragestellungen zur Rekonstruierbarkeit bestimmter Eigenschaften eines mathematischen Modells anhand gegebener Daten, über die Entwicklung effizienter Rekonstruktionsverfahren zur numerischen Lösung des Problems, bis hin zu deren praktischer Umsetzung“, erklärt Griesmaier.

Zusammen mit seiner Arbeitsgruppe forscht der Mathematiker unter anderem an bildgebenden Verfahren, die auf den Einsatz von Röntgenstrahlen verzichten. Stattdessen sollen akustische oder elektromagnetische Wellen beziehungsweise elektrische Ströme ein Bild vom Inneren eines Objekts erzeugen oder Informationen über die Verteilung und Eigenschaften von Objekten im Raum liefern. Darüber hinaus beschäftigt sich Griesmaier mit der Entwicklung und Analyse numerischer Verfahren zur Simulation akustischer und elektromagnetischer Wellenphänomene sowie mit mathematischen Grundlagen von Unsichtbarkeit. „Bei Letzterem geht es unter Anderem um die theoretische Charakterisierung exotischer Materialien oder sogenannter Metamaterialien zur Manipulation akustischer oder elektromagnetischer Felder“, erklärt der Mathematiker.

Im Rahmen seiner Forschungstätigkeit strebt Griesmaier auch interdisziplinäre Kooperationen, zum Beispiel – aber nicht ausschließlich – im Bereich der biomedizinischen Bildgebung an.