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VON KATHARINA THEHOS  |  12.02.2013 16:54

Vom Hörsaal vor den Internationalen Gerichtshof

Jura-Studierende der Universität Jena beim deutschen Ausscheid des renommierten Gerichtswettstreits

Angespannt läuft Petrea Klein zum Pult und sortiert ihre Notizen. Noch ein tiefer Atemzug, dann beginnt die Jura-Studentin von der Friedrich-Schiller-Universität Jena mit ihrem Plädoyer. 20 Minuten hat die Verteidigerin Zeit, die Richter von ihren Argumenten zu überzeugen. Schon nach wenigen Sätzen wird sie unterbrochen: Unaufhörlich muss sie Fragen beantworten, kommt ins Schwitzen. Noch ist das alles kein Problem, denn es ist erst die Probe einer simulierten Gerichtsverhandlung, eines sogenannten Moot Courts. Am morgigen Mittwoch (13.02.) jedoch wird es ernst: Dann startet der nationale Vorentscheid des Jessup International Law Moot Court Competition.

Der kurz „Jessup“ genannte Moot Court ist einer der renommiertesten Wettbewerbe für Nachwuchsjuristen, bei dem Studierende in einer nachgestellten Gerichtsverhandlung einen fiktiven völkerrechtlichen Fall verhandeln. Während der nationalen Vorrunde in Heidelberg vom 13. bis 17. Februar müssen sich die Jenaer gegen 15 weitere Teams durchsetzen. Zum Jenaer Team gehören neben Petrea Klein noch Lisa Zermann, Michael Werner, Nikolaus Koch und Robert Stendel. Sie müssen die kritische Jury mit den mündlichen Plädoyers und dem schon Anfang des Jahres eingereichten schriftlichen Gutachten überzeugen. Petrea Klein und ihre Mitstreiter wollen unbedingt einen der beiden begehrten deutschen Startplätze für die internationale Finalrunde Ende März in Washington erringen.

Denn sie treten in große Fußstapfen: Bereits zum 16. Mal tritt ein Jenaer Team beim Jessup Moot Court an. Neben der Universität Heidelberg und der Universität Kiel gehören die Jenaer zu den erfolgreichsten deutschen Teilnehmern; auch bei der internationalen Endrunde erzielten sie in den letzten Jahren regelmäßig vordere Platzierungen. Die fünf Studierenden des diesjährigen Teams wollen die Erfolgsgeschichte fortsetzen. Seit September trainieren sie daher nun schon für den Wettbewerb – das Studium muss unterdessen warten. „Es ist wirklich eine harte Zeit: Zwölf Stunden pro Tag, sechs Tage die Woche, das ist das normale Arbeitspensum“, sagt Prof. Dr. Sharon Byrd, die das Team zusammen mit ehemaligen Jessup-Teilnehmern betreut. Doch die stressige Vorbereitung lohnt sich, denn: „Jede Kanzlei weiß, was es bedeutet, wenn ein Student beim Jessup Moot Court mitgemacht hat“, so die Professorin am Law & Language Center der Universität Jena. Auslandssemester und Referendariatsstelle seien dann überhaupt kein Problem mehr. Damit ihre Schützlinge gut für den Wettkampf gewappnet sind, organisiert Prof. Byrd regelmäßige Übungsrunden. Immer und immer wieder müssen die Studierenden ihre Plädoyers halten. „Das Ziel ist, dass sie jede mögliche Frage und jeden möglichen Einwand mindestens 20 Mal gehört und beantwortet haben“, erklärt die Juristin. Denn während des Wettbewerbs sitzen Richter des Internationalen Gerichtshofs und andere Völkerrechtsexperten auf der Richterbank. „Und die warten nur darauf, die Teilnehmer in die Ecke zu treiben“, so Byrd.

Der Jessup wird seit 54 Jahren veranstaltet und ist damit der älteste Völkerrechtswettstreit. „Die fiktiven Fälle, die die Teilnehmer bearbeiten müssen, enthalten dabei stets zahlreiche, bisher nicht eindeutig geklärte Rechtsfragen“, erklärt Prof. Byrd. Die Studierenden untersuchen internationale Verträge, Beschlüsse der Vereinten Nationen sowie vergangene Urteile aller internationalen Schiedsgerichte und Tribunale, um dann für beide Prozessparteien eigene Argumente zu entwickeln. „Die Forschungsarbeit ist einfach endlos“, sagt Byrd. Deswegen nominiert die Moot-Court-Trainerin nur fortgeschrittene Studierende aus dem vierten Studienjahr: „Der Wettbewerb verlangt einfach unglaublich viel von den Teilnehmern: umfassendes Fachwissen, fließendes Englisch, Schlagfertigkeit und rhetorisches Geschick“.

Die Kandidatensuche beginnt für Prof. Byrd dennoch bei den Erstsemestern. „Oft zeigt sich schon zu Studienbeginn, wer Talent hat. Dann ist es wichtig, solche Studenten möglichst frühzeitig zu fördern.“ Wahrscheinlich steckt eben genau das – und das intensive Training – hinter dem Jenaer Erfolgsrezept.