von Jörg Walz |
05.10.2012 09:58
Wenn der Roboter den Notdienst anruft
Mobiles Notfallassistenzsystem des Fraunhofer IPA gibt älteren und gebrechlichen Menschen mehr Lebensqualität
Ein älterer Mensch stürzt. Die Sensorbox in seiner Wohnung erkennt die Notsituation und schickt den mobilen Assistenzroboter zu ihm; der erfasst die Lage des Verunglückten, ermöglicht ihm über seinen integrierten Bildschirm die Kommunikation mit dem Notdienst, versucht ihm, wenn möglich, aufzuhelfen oder versorgt den Verletzten während der Wartezeit auf die Helfer mit einem Glas Wasser.
Keine Zukunftsmusik – das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA präsentiert auf der REHACARE 2012 in Düsseldorf mit praktischen Demonstrationen eine Lösung für die mobile Notfallassistenz, die die Serviceroboter-Plattform »Care-O-bot 3« mit stationären Umgebungssensoren verbindet. Das Anwendungsszenario, das im Rahmen der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten und von Projekt trägern im DLR und VDI betreuten Projekte »Tech4P« und »sense@home« entwickelt wurde, bietet Personen, die noch zu Hause leben können, aber in bestimmten Situationen auf externe Hilfe angewiesen sind, mehr Sicherheit und macht den Einsatz von Pflege- und Notfalldienstleistern schneller und effektiver.
Länger selbstständig zu Hause leben können, ohne die Furcht vor Hilflosigkeit bei Stürzen oder anderen Notsituationen – dieses Anliegen älterer und gebrechlicher Menschen nimmt in einer alternden Gesellschaft stetig an Bedeutung zu. »Unsere Lösung bringt die drei Hauptfaktoren unter einen Hut: das technisch Machbare, die wirtschaftlichen Anforderungen der Pflegedienstleister und die Bedürfnisse und Wünsche der zu betreuenden Personen an ein Assistenzsystem, das sie auch akzeptieren können«, erläutert Ulrich Reiser, Gruppenleiter in der Abteilung Roboter und Assistenzsysteme am Fraunhofer IPA.
»Das System fügt sich leicht und unauffällig in jede Wohnumgebung ein«, sagt der Diplom-Ingenieur. Da es modular aufgebaut ist, lässt sich auch der Sicherungsbereich flexibel an die jeweiligen Erfordernisse anpassen. Fest eingebaute Sensorboxen erkennen hierbei automatisch, ob eine Notsituation vorliegt, worauf individuell festgelegte Maßnahmen eingeleitet werden. Zur genaueren Analyse kann ein mobiler Assistenzroboter zu dem Verunglückten geschickt werden; dieser kann Daten sammeln, die von den stationären Sensoren nicht erfasst werden können, erkennt anhand typischer Konturen und Parameter die Position der Person, manövriert seinen Touchscreen in deren Reichweite und stellt eine direkte Kommunikation mit dem Notdienst her. Mit seinem Roboterarm kann er zudem einer gestürzten Person beim Aufstehen helfen. Der Pflegedienstleister wiederum kann mit Hilfe des mobilen Roboters direkt mit der betreuten Person kommunizieren, oder er kann sich aus nächster Nähe ein Bild von der Lage machen und den Fall anhand der vom Roboter übermittelten Daten beurteilen. Bei Bedarf kann der Dienstleister den Roboter auch fernsteuern, um eine noch bessere Übersicht zu gewinnen. Ist ein Einsatz notwendig, unterstützt der Roboter die verunglückte Person bis zum Eintreffen der Hilfskräfte, indem er beispielsweise ein Glas Wasser holt oder die Angehörigen informiert.
Die Vorteile des mobilen Notfallassistenzsystems liegen für Ulrich Reiser auf der Hand: Für den Pflegedienstleister wird das Risiko von Fehlalarmen minimiert, und er kann auf Grundlage der übermittelten Daten schneller und gezielter reagieren; die betreute Person gewinnt ein Plus an Sicherheit und kann so länger und risikoloser auch alleine selbstständig zu Hause leben. »Es geht nicht darum, menschliche Kontakte durch Maschinen zu ersetzen, sondern mit zusätzlicher Unterstützung durch technische Hilfsmittel älteren und gebrechlichen Personen eine höhere Lebensqualität zu vermitteln«, fasst Ulrich Reiser die Ziele der Fraunhofer-Forscher zusammen.