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VON INFORMATIONSDIENST WISSENSCHAFT  |  28.09.2012 09:52

Guter Lehrer, schlechter Lehrer: hohe Variabilität

Ergebnisse der TEDS-LT-Studie zu angehenden Lehrern zeigt Defizite im Fachwissen und große Standortunterschiede

Der Studienort hat einen bedeutenden Einfluss auf die Leistung angehender Lehrkräfte. Eine didaktisch sinnstiftende Vernetzung von bereits vorhandenen Erfahrungen, Wissen und Können in den Lehr- und Lernprozessen – das sogenannte kumulative Lernen – scheint im Lehramtsstudium generell eher wenig stattzufinden. Das sind die Kernergebnisse der Teacher Education and Development Study: Learning to Teach (TEDS-LT), die am Institut für Erziehungswissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin von Professor Sigrid Blömeke leitend durchgeführt wird.

TEDS-LT ermittelt die fachbezogenen Kompetenzen angehender Lehrkräfte der Sekundarstufe I in den Unterrichtsfächern Deutsch, Englisch und Mathematik im Studienverlauf sowie ihre fächerübergreifenden pädagogischen Kompetenzen. In einem standardisierten Leistungstest wurden zwei Kohorten an Lehramtsstudierenden von acht Hochschulen (Humboldt-Universität zu Berlin, Universität Hamburg, Technische Universität Dortmund, Universität Duisburg-Essen, Universität Gießen, Johann-Wolfgang-Goethe Universität Frankfurt/M., Universität Augsburg und Pädagogische Hochschule Ludwigsburg) im dritten bis fünften Fachsemester bzw. zum Studienende, im sechsten bis achten Fachsemester, getestet.

„Während das fachdidaktische Professionswissen der Studierenden am Studienende in allen drei Fächern als gut eingestuft werden kann, haben sich die Getesteten zu diesem Zeitpunkt von schulrelevantem Fachwissen möglicherweise eher entfernt. Folgt man der These, dass gerade dieses für die Wahrnehmung der Aufgaben von Lehrpersonen besonders relevant ist, haben wir ein Problem. Möglicherweise werden die Inhalte der ersten Semester im Rahmen der Lehre später nur sporadisch wieder aufgegriffen. Kumulatives Lernen würde dann eher weniger stattfinden und in den Studienmodulen würde nicht optimal auf vorhandenem Wissen aufgebaut. Der Standort der Ausbildung hat ebenfalls signifikanten Einfluss auf die Leistung in allen Wissensfacetten der angehenden Lehrerinnen und Lehrer. Ich weiß nicht, ob wir uns eine solche Variabilität leisten wollen bzw. können“, sagt Sigrid Blömeke.

Ausschlaggebend ist vermutlich die Struktur der Lerngelegenheiten. Im Studienverlauf findet nach dem verpflichtenden Besuch von Einführungsveranstaltungen häufig eine Spezialisierung durch die Auswahl weiterführender Seminare statt, die ein weit gefächertes Angebot darstellen und eher an den Bedürfnissen der Nicht-Lehramtsstudierenden ausgerichtet sind. „Die Ergebnisse machen deutlich, dass durch die Variabilität der Angebote höchst unterschiedliche Leistungen erzielt werden. Die universitären Curricula sind teilweise nicht einmal innerhalb eines Bundeslandes einheitlich“, kritisiert Blömeke.

Zudem zeigen die Ergebnisse vor allem für Mathematik, dass im Vergleich nicht-gymnasialer und gymnasialer Studiengänge bei Letzteren bessere Leistungen in der Fachdidaktik und im Fachwissen erzielt werden. Vermutlich spielt hier der Umfang von Lerngelegenheiten eine Rolle. Sigrid Blömeke nimmt an, dass durch die unterschiedliche Gewichtung der Wissensvermittlung und Länge der Studiendauer bei Haupt- und Realschullehramtsstudiengängen im Vergleich zum Gymnasiallehramt nicht das gleiche fachliche Fundament für die später zu unterrichtenden Schülergruppen gelegt werden kann: „Wir wissen beispielsweise, dass Studierende mit Migrationshintergrund sich bei gezielter Förderung besser entwickeln. Es liegt in der Verantwortung der Hochschulen diese Begabungsreserven in Zukunft noch besser auszuschöpfen. Die Vorschläge der Baumert-Kommission für die Berliner Lehrerausbildung sind daher nur zu begrüßen. Wir müssen noch mehr für unseren Lehrernachwuchs werben und ihm auch mehr bieten.“ Soweit Sigrid Blömeke , die kürzlich die Stiftung „Chancengleichheit – Bildung von Anfang an“ zur Förderung von Kindern aus bildungsfernen Familien gegründet hat, in deren Rahmen Lehramtsstudierende ihr Berufsfeldpraktikum als Bildungspaten absolvieren können.

Über TEDS-LT
TEDS-LT ist eine nationale Erweiterung um die Fächer Deutsch und Englisch zur international-vergleichenden Studie „Teacher Education and Development: Learning to Teach Mathematics (TEDS-M)“. TEDS-LT wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Programms zur Stärkung der empirischen Bildungsforschung gefördert. Die Studie wurde von Sigrid Blömeke (HU Berlin) geleitet. Weitere Mitglieder des Projektkonsortiums sind Albert Bremerich-Vos (Duisburg-Essen), Gabriele Kaiser (Hamburg), Johannes König (Köln), Günter Nold (Dortmund), Knut Schwippert (Hamburg), Heiner Willenberg (Hamburg), Jörg-U. Kessler und Helga Haudeck (beide PH Ludwigsburg).

Über die Stiftung Chancengleichheit – Bildung von Anfang an Sigrid Blömeke hat kürzlich die Stiftung „Chancengleichheit – Bildung von Anfang an“ mit einem Startkapital von 50.000 Euro gegründet. Ziel der Chancen-Stiftung ist es, Kinder aus so genannten bildungsfernen Familien in Form von individueller Unterstützung und Feriencamps zu fördern. Vertrauenswürdige ehrenamtliche Bildungspaten und Lehramtsstudierende ermöglichen neben Familie und Kindergarten bzw. Schule neue Erfahrungen, entdecken mit den Kindern und Jugendlichen zusammen die Welt, begleiten, ermutigen und unterstützen sie. Durch Zuhören und Diskutieren, gemeinsames Spielen und Experimentieren, durch Ausflüge und kulturelle Aktivitäten stärken sie die Kinder und Jugendlichen in ihren sprachlichen, mathematisch-naturwissenschaftlichen und fächerübergreifenden Kompetenzen. Kurz: Chancen stiften.

Sigrid Blömeke, Jahrgang 1965 studierte Geschichte, Sozialwissenschaften und Pädagogik auf Lehramt. Nach ihrem ersten Staatsexamen entschied sie sich für eine wissenschaftliche Karriere und promovierte und habilitierte zu Fragen der Bildungsforschung. 2002 nahm sie den Ruf an die Humboldt-Universität zu Berlin auf eine Professur für Systematische Didaktik und Unterrichtsforschung an und wechselte von Hamburg nach Berlin. Ihr Forschungsschwerpunkt sind empirische Studien zum Lehren und Lernen im internationalen Vergleich. 2007 nahm Professor Blömeke das Angebot einer zweijährigen Forschungsprofessur für Kompetenzmessung der Michigan State University, USA, an. Sigrid Blömeke ist Direktorin des Interdisziplinären Zentrums für Bildungsforschung an der HU Berlin.

Weitere Informationen:
http://www.bildungspaten-in-brilon.de
stiftung@bildungspaten-in-brilon.de