Volltextsuche

Erweiterte Suche

ANZEIGE

VON INFORMATIONSDIENST WISSENSCHAFT  |  29.06.2012 09:18

Wie misst man Nachhaltigkeit?

Nachhaltigkeit war das große Thema des Umweltgipfels in Rio. Um die Weltbevölkerung zu ernähren, ist eine nachhaltigere Nutzung der Ökosysteme unerlässlich. Am ZMT hat ein Autorenkollektiv nun in einer Publikation Indikatoren zusammengetragen, die den Zustand von Küstenökosystemen und die Prozesse, die ihre nachhaltige Entwicklung fördern, beschreiben.

Nachhaltigkeit war das große Thema des Umweltgipfels in Rio. Um die Weltbevölkerung zu ernähren, ist eine nachhaltigere Nutzung der Ökosysteme unerlässlich. Insbesondere in tropischen Küstengebieten ist die Bevölkerungsdichte enorm und die Abhängigkeit von den natürlichen Ressourcen dementsprechend groß. Unterschiedlichste Interessen prallen hier aufeinander und führen zu einem größeren Nutzungsdruck als in Ökosystemen der offenen Ozeane oder des Festlands.

Am Leibniz-Zentrum für Marine Tropenökologie hat ein Autorenkollektiv nun in einer Publikation Indikatoren zusammengetragen, die den Zustand von Ökosystemen und die Prozesse, die ihre nachhaltige Entwicklung fördern, beschreiben. Bringt das System noch die gleichen Leistungen wie ein unberührtes? Wird es übermäßig genutzt? Wie ist es wieder auf den richtigen Kurs zu bringen? Mit dem Merkmalskatalog können solche Fragen angegangen werden.

Der Ansatz ist innovativ: hier haben Natur- und Sozialwissenschaftler ihre Expertise aus jahrzehntelanger Forschung in tropischen Ökosystemen wie Mangroven, Korallenriffen, Seegraswiesen und Küstenmeeren zusammengebracht. Die enge interdisziplinäre Verzahnung hat am ZMT Tradition und ist für eine umfassende Beschreibung von Zustand und Dynamik eines Ökosystems unerlässlich.

Beispielsweise Mangroven: 1995 begann am ZMT ein Langzeitprojekt zur Erforschung der Gezeitenwälder im Nordosten Brasiliens. Über einen Zeitraum von zehn Jahren erhoben die Wissenschaftler Daten zu Waldstruktur und Artenvielfalt und bestimmten den sozioökonomischen Stellenwert von mehr als einem Dutzend Mangrovenprodukten.

Als zwei wesentliche Indikatoren wurde die Populationsstruktur der Mangrovenkrabben identifiziert und die Futtermengen, die sie aufnehmen. Sie sind Schlüsselorganismen, Arten, die das Ökosystem in besonderem Maße prägen. Im schlammigen Waldboden bauen sie bis zu zwei Meter tiefe Höhlen, die den Boden belüften. Die Krabben fressen 80% der abgefallenen Blätter von den Mangrovenbäumen – das sind enorme Mengen - und scheiden das unverdaute organische Material in ihren Höhlen wieder aus.

So bleiben der Mangrove wichtige Nährstoffe erhalten, denn die abgefallenen Blätter würden sonst ins Meer gespült werden. Das dichte Netz der Stelzwurzeln der Bäume hält große Mengen an diesem organischen Material zurück. Das ist ein Grund weshalb Mangroven im Vergleich zum tropischen Regenwald effizientere CO2 Speicher sind und eine nicht unwesentliche Rolle im globalen Kohlenstoffkreislauf spielen.

Und schließlich sind die Krabben für die Bewohner der umliegenden Ortschaften eine der wichtigsten Einnahmequellen. Über 80% der Bevölkerung lebt von den Produkten der Mangrove, insbesondere aber von den Krabben, die in mühsamer Arbeit aus ihren Schlammhöhlen gegraben werden. Hier spielen Indikatoren wie die Bedeutung dieser Ressource für die Bevölkerung, aber auch Einkommensalternativen und Wohlstandsniveau der Krabbenfischer und ihre Beteiligung am Management dieser Ressource eine wichtige Rolle, um das System zu beschreiben.

Die Arbeit macht sehr deutlich, wie vielschichtig und verwoben Mensch und Natur in einem Ökosystem zusammenwirken. Mit dieser Publikation haben die Wissenschaftler einen Rahmen geschaffen, um die Verbindung zwischen den entscheidenden ökologischen und sozialen Prozessen herauszuarbeiten.