Volltextsuche

Erweiterte Suche

ANZEIGE

VON INFORMATIONSDIENST WISSENSCHAFT  |  27.06.2012 09:24

Coole Jungs und ehrbare Berufe – (k)ein Widerspruch?

Die Zahl der Ausbildungsabbrecher in Deutschland bleibt konstant hoch. Prof. Dr. Ute Clement vom Institut für Berufsbildung (IBB) der Universität Kassel geht in ihrer neuen Publikation „Ehrbare Berufe für coole Jungs“ diesem Problem auf den Grund.

Wenn morgen rund 500.000 Studierende ihr Studium schmeißen würden, würde das eine ungeheuer große Lücke an deutschen Hochschulen reißen. Das wäre ein Fünftel der Studentenschaft – eine erschreckend große Zahl. Im Bereich der Berufsausbildung ist dieses Szenario Realität. Exakt 22,1 Prozent der Auszubildenden haben laut Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) im Jahr 2011 ihre Berufsausbildung vorzeitig abgebrochen. „Für die Betriebe und auch für die Gesellschaft insgesamt kann das schon bald gravierende Konsequenzen haben“, sagt Clement: „Ich kenne Unternehmen aus der Region Nordhessen, die bereits wegen des Facharbeitermangels schließen mussten.“

Berufsausbildung: Unverständnis der Beteiligten

In ihrem neuen Buch beschäftigt sich die Kasseler Berufs- und Wirtschaftspädagogin mit der Frage, wie man angesichts der problematischen Lage diejenigen Jugendlichen in das Ausbildungsboot reinholt, die sonst ganz durch die Maschen des Systems durchgefallen wären, diejenigen, die Clement als „schwache Jugendliche“ bezeichnet. Den Ausgangspunkt ihrer Überlegungen bilden die sich sowohl bei den Ausbildern als auch bei den Auszubildenden verbreitende Unzufriedenheit mit- und Unverständnis füreinander. Die ersten klagen über Unpünktlichkeit, mangelnde Zuverlässigkeit, fehlende Motivation und Interesse für den Beruf bei den Lehrlingen, die letzteren geben Konflikte mit den Meistern als den Hauptgrund für das vorzeitige Auflösen des Ausbildungsverhältnisses an. Diese Schwierigkeiten, die letztlich immer häufiger die jungen Menschen vom Berufsleben und auch von der Gesellschaft ausschließen, führt Clement auf die Differenzen zwischen Betriebskultur und Jugendkultur zurück. „Die Betriebe haben immer noch die Vorstellung, sie finden den ‚guten Hauptschüler‘, der nach der erfolgreichen Ausbildung ein guter deutscher Facharbeiter wird“, erklärt sie. Nur das funktioniere häufig so nicht mehr. Der heutige Hauptschüler habe mitunter einfach keine Lust, ein guter deutscher Facharbeiter zu werden.

Eine Sache der Ehre

Clement vertritt in ihrem Buch die These, es liege an der unterschiedlichen Ehrauffassung. Unter Ehre, die sie zum zentralen Schlagwort erhebt, versteht sie die Außenhaut der Identität, etwas, das einem Sicherheit in der Welt gibt. In sechs Hauptkapiteln zeigt Clement die Differenzen zwischen dem in den Unternehmen immer noch vorherrschenden jahrhundertealten Verständnis der Berufs- und Handwerkerehre und den neuen alternativen Ehrentwürfen der schwachen Jugendlichen auf. Wie bringt man sie zusammen? Und wie kann die Ausbildung der Jungstars trotz dieser Unterschiede gelingen? „Die Berufskultur ist heute vielen Jugendlichen fremd. Wir müssen sie attraktiver machen und den Eingang in die Welt der Erwachsenen zeigen, um zu vermitteln, dass es durchaus ehrenvoll ist, daran Anteil haben zu können“, sagt Clement. Dies hänge auch mit der Suche nach neuen Formen der Autorität zusammen, die weniger mit Distanz und Macht zu tun haben und mehr mit Nähe und Stärke und dem Ablegen der alten Devise ‚Lehrjahre sind keine Herrenjahre’. „Und dann sind die Jugendlichen ganz oft bereit mitzumachen, denn auch sie möchten durch einen Beruf ihr Leben bestreiten können“, räumt Clement schließlich mit dem häufig geäußerten Vorwurf mangelnder Motivation auf.