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Ortswechsel: Spätestens seit dem Unglück der Costa Concordia vor der italienischen Insel Giglio Anfang des Jahres ist die Angst vor einem Schiffbruch auf hoher See wieder näher in das Bewusstsein der Menschen gerückt. Um im Falle solcher und ähnlicher Katastrophen wenigstens die Zahl der Opfer so gering wie möglich zu halten und eine bestmögliche Suche nach Überlebenden und deren Bergung sowohl im Wasser als auch an Land zu ermöglichen, wurde das EU-Projekt ICARUS (Integrated Components for Assisted Rescue and Unmanned Search Operations) ins Leben gerufen. Das im Februar 2012 gestartete Projekt wird durch die EU gefördert und hat ein Gesamtvolumen von 17,5 Millionen Euro. ICARUS hat das Ziel, die Einsatzkräfte vor Ort mit unbemannten Robotern oder Fahrzeugen zu unterstützen, die sowohl im Gelände als auch in der Luft und auf dem Wasser eingesetzt werden können. Innerhalb der nächsten vier Jahre sollen verschiedene Systeme integriert werden, die mittels optimierter Wärmebildsensoren, Videoverarbeitung und Datenkombination dazu beitragen, die Rettungs- und Suchoperationen in Zukunft zu verbessern.
Neben der Arbeitsgruppe Interconnection Metallurgy and Processes (IMP) des Fraunhofer IZM besteht das Projektkonsortium aus 24 Institutionen aus 10 Ländern. In enger Kooperation mit der Université de Neuchâtel sowie der TU Wien entwickelt das Fraunhofer IZM ein besonders leichtes Wärmebild-Kamerasystem mit möglichst kleinen Abmessungen und niedrigem Stromverbrauch. In diesem System kommen zwei Kameras zum Einsatz, deren Bilddaten durch Fusions-Algorithmen (entwickelt durch die Projektpartner der RMA Belgien und der ETH Zürich) ausgewertet werden. Durch die Kombination aus neuentwickeltem Kamerasystem und Algorithmen wird es möglich, Körper menschlicher Überlebender sowohl zwischen Häusertrümmern und Schutt als auch an der Wasseroberfläche mit hoher Erkennungswahrscheinlichkeit auszumachen.
Während die erste Kamera einen kommerziell verfügbaren mikrobolometrischen Sensor enthält, gilt es für ICARUS eine zweite Kamera von Grund auf neu zu entwickeln. Mikrobolometrische Kameras können zwar hochaufgelöste Videobilder liefern, enthalten jedoch keinerlei spektrale Information. Aus diesem Grund wird das Kamerasystem durch die zweite Kamera ergänzt, die auf hochempfindlichen Quantenkaskaden-Detektoren (QCDs) der Université de Neuchâtel basiert. Diese Entwicklung soll es ermöglichen, Menschen zuverlässig von anderen Gegenständen zu unterscheiden, die ebenfalls thermische Strahlung emittieren. Das Design der zugrundeliegenden Halbleiterstrukturen wird auf eine Wellenlänge von 9,5 Mikrometern optimiert, was der Haupt-Abstrahlwellenlänge bei menschlicher Körpertemperatur entspricht. Durch die Integration beider Kameras, die sich in ihren Auflösungseigenschaften und Technologien ergänzen, wird so ein leistungsfähiges System geschaffen.
Die elektronikfeindliche Umgebung (wie z.B. große Hitze oder Kälte, Luftfeuchtigkeit oder Nässe) im Einsatzgebiet stellt eine besondere Herausforderung dar, die die Aufbau- und Verbindungstechnik stark belastet. Im Einsatz auf unbemannten Plattformen wie Drohnen, Gelände- und Wasserfahrzeugen werden die Kamerasysteme außerdem extremen mechanischen Belastungen ausgesetzt. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, entwickelt das Fraunhofer IZM eine geeignete Integrations- und Packaging-Technologie, die die hohen Anforderungen an die Zuverlässigkeit der Kontaktierung der einzelnen Komponenten untereinander und zu der „Peripherie“ der QCD-Kamera erfüllen muss.
Eine weitere Herausforderung des QCD-Kamerasystems ist die Kühlung, die von den verwendeten Sensoren benötigt wird. Die Betriebstemperatur liegt bei bis zu -50°C und muss auch im gesamten Bereich der vorgesehen Umgebungstemperatur (-20 bis +50°C) stabil gehalten werden, um die Funktion der Sensoren sicherzustellen. Um dies zu gewährleisten, kommt ein mehrstufiger Peltier-Kühler für die erforderliche Temperaturregulierung zum Einsatz. Zur Vermeidung von Kondensationen auf der Sensoroberfläche wird das Sensorpackage in einem evakuierten hermetisch dichten Gehäuse montiert werden.
Damit trotz des benötigten Gehäuses möglichst kleine Abmessungen erzielt werden können, werden vom Fraunhofer IZM von der TU Wien gedünnte Sensorchips mittels Stud-Bump-Flipchip-Bonding mit einem CMOS-Ausleseelektronik-Chip verbunden. Da der angestrebte Pixel-Abstand und damit der Abstand der zugehörigen elektrischen Kontakte im Bereich von 50 bis 120 Mikrometer liegt, ist es notwendig, eine sehr hohe Platziergenauigkeit zu erreichen. Zudem soll das zu entwickelnde Package für die kommerzielle Produktion mit einer hohen Ausbeute fertigbar sein.
Auf der Internetseite http://fp7-icarus.eu wird es mit Fortschreiten des Projekts weitere Informationen für interessierte Anwender geben. Zurzeit ist dort ein Fragebogen zu finden, der von potenziellen Anwendern wie Katastrophenschutz und anderen Hilfsorganisationen ausgefüllt werden kann, um deren Bedürfnisse und Erfahrungen in das Projekt mit einfließen zu lassen.