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Über Peter Petersen ist in den vergangenen Jahren viel gesagt und geschrieben worden. Doch auch wenn der Wissenschaftler zunehmend durch sein Verhalten während der NS-Diktatur in die Kritik geraten ist, so ist das Resultat seiner wissenschaftlichen Arbeit eine Erfolgsgeschichte. Das Schulmodell des Jena-Plans ist weltweit verbreitet. Doch was macht eine Schule eigentlich zur Jena-Plan-Schule? Und wie unterscheidet sich diese Idee von anderen reformpädagogischen Bestrebungen?
Prof. Dr. Dr. Ralf Koerrenz aus dem Institut für Bildung und Kultur der Friedrich-Schiller-Universität Jena führt mit seinem neuen Buch „Schulmodell: Jena-Plan. Grundlagen eines reformpädagogischen Programms“ ein in Petersens Idee von einer anderen Art von Schule. „Das Buch ist keine Abhandlung über die Person Peter Petersen, auch wenn diese nicht vollends ausgeblendet werden kann“, betont der Lehrstuhlinhaber für Historische Pädagogik und Erziehungsforschung. „Die Kontroverse zwischen Person und Werk spielt nur insofern eine Rolle, als das Grundkonzept des Jena-Plans von 1927 im Laufe der Jahre und Systeme immer auch anders interpretiert wurde.“
Koerrenz arbeitet in seinem Buch heraus, was das Wesen des Jena-Plans ausmacht. „Vordergründig blicken wir immer auf die vier Säulen – also Stammgruppen, Wochenarbeitsplan, vier Grundformen des Lernens und die Schulwohnstube“, sagt der Jenaer Erziehungsexperte. „Doch das allein kennzeichnet nicht eine Jena-Plan-Schule, denn es gibt andere Einrichtungen, die solche Instrumente in gleicher oder ähnlicher Form ebenfalls anwenden.“
In drei Teilen nähert sich der Autor der Frage, was denn das Besondere dieser Schulform ist. Zu Beginn widmet er sich der Funktion von Schule und fragt nach ihrer Deutung im Jena-Plan – sowohl für das Individuum als auch für soziale Ausprägungen. „Der hermeneutische Schlüssel zum Verständnis des Jena-Plans ist die Differenz von Gemeinschaft und Gesellschaft“, sagt Koerrenz. „Eine Jena-Plan-Schule ist eine Gemeinschaftsschule, eine Lebensgemeinschaftsschule.“ Im Weiteren fasst er zusammen, inwieweit diese Konzeption von Schule den einzelnen Schüler prägt.
Anschließend untersucht der Erziehungswissenschaftler der Universität Jena die ganz spezifische Praxis, die in einer Jena-Plan-Schule vorherrscht. Wie funktioniert der Alltag an einer Jena-Plan-Schule? Was steht im Mittelpunkt, was ist im Programm flexibel handhabbar? Koerrenz spricht in diesem Zusammenhang von einer „Didaktik des Arrangements“, in der sich direktes und indirektes Handeln, Person und Struktur wechselseitig ergänzen.
Im dritten Teil des Buches – überschrieben mit „Schule als gestaltete Philosophie“ – geht der Autor der Frage nach, die die meisten reformpädagogischen Programme unterscheidet: Welche Philosophie steht hinter dem Programm bzw. ergibt sich aus der Auffassung von Schule und deren Umsetzung? „Peter Petersen war der festen Überzeugung, dass Schule nie losgelöst von einem weltanschaulichen Rahmen verstanden werden kann“, erklärt Koerrenz. Schule sei immer auch ,gestaltete Philosophie‘ – und auch wenn man nicht darüber nachdenke, folge man einer Weltanschauung.
Welche gesellschaftlichen Veränderungen und politischen Systeme das Konzept des Jena-Plans bereits durchlaufen hat und wie es dadurch beeinflusst wurde, fasst der Autor in einer kritischen „Re-Vision“ am Ende des Buches zusammen. Die Untersuchung mündet in eine Darstellung von Petersens Vision eines neuen, friedlichen Europa – einer von vielen Aspekten, die im „Schulmodell: Jena-Plan“ auf heutige Herausforderungen verweisen.
Bibliografische Angaben:
Ralf Koerrenz: Schulmodell: Jena-Plan. Grundlagen eines reformpädagogischen Programms, Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2011, 170 Seiten, Preis: 22,90 Euro, ISBN 978-3-506-77228-2