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VON INFORMATIONSDIENST WISSENSCHAFT  |  03.02.2012 09:20

Materialwissenschaft ohne Labor

Marek Sierka ist neuer Professor für Computational Materials Science der Universität Jena

Der Arbeitsplatz von Prof. Dr. Marek Sierka an der Friedrich-Schiller-Universität Jena sieht derzeit noch recht übersichtlich aus: ein frisch renoviertes Zimmer, ein Schreibtisch, ein Computer. Zwar wird diese Umgebung im Institut für Materialwissenschaft und Werkstofftechnologie (IMT) im Laufe der Zeit sicherlich ihren spartanischen Charakter verlieren. Doch für seine wissenschaftliche Arbeit braucht der 40-jährige neu ernannte Professor im Grunde nicht viel mehr als einen Computer – wenn auch einen extrem leistungsfähigen. Denn Marek Sierka ist Professor für Computational Materials Science.

„Bei meiner Arbeit geht es darum, Strukturen und Eigenschaften von Materialien im Computer zu simulieren“, erläutert Prof. Sierka. Dies diene einerseits dazu, experimentell erhaltene Daten zu erklären. „Andererseits lassen sich so auch Eigenschaften von neuartigen Materialien vorausberechnen.“ Auch wenn er selbst ohne eigenes Labor auskommt, ganz ohne echte Experimente geht es auch für Marek Sierka dann doch nicht. „Unsere Methoden können Experimente nicht ersetzen“, betont er. „Allerdings ergänzen sie in zunehmendem Maße oftmals teure und zeitaufwendige Messungen.“

Den großen Synergieeffekten zwischen Theorie und Experiment hat Marek Sierka auch seine Habilitationsschrift gewidmet, die er 2009 an der Humboldt-Universität zu Berlin anfertigte. Darin hat er sich mit der Strukturaufklärung niederdimensionaler Systeme, z. B. von Nanopartikeln, ultradünner Oxidschichten und nanostrukturierter Oberflächen befasst.

Im Zusammenspiel von Simulation und Experiment sieht der neue Professor auch zahlreiche Anknüpfungspunkte zu seinem neuen Jenaer Forschungsumfeld. „Die Arbeiten hier am IMT sind sehr stark experimentell geprägt“, erläutert Prof. Sierka. „Unser Ziel wird es sein, das theoretische Fundament dieser Forschungsfelder zu stärken.“ Als Beispiele nennt er interdisziplinäre Projekte, wie die Untersuchung von Struktur und Eigenschaften von Materialgrenzflächen oder Biohybridmaterialien.

Grenzen zu überschreiten, und das nicht nur fachlich, gehört für den im polnischen Krakau geborenen Wissenschaftler dabei zum gelebten Alltag. „Das ist eine wesentliche Voraussetzung für meine Arbeit im Überschneidungsbereich von Chemie, Physik, Materialwissenschaft und Informatik.“ Doch auch in die Wirtschaft unterhält Prof. Sierka enge Kontakte: Er ist u. a. Geschäftsführer eines Spin-Off-Unternehmens, das die Weiterentwicklung eines Simulationsprogramms für materialwissenschaftliche Fragestellungen koordiniert und das Sierka selbst mitentwickelt hat. „Die Firmengewinne kommen dabei zu 100 Prozent der Wissenschaft zugute, denn wir finanzieren damit als Drittmittelgeber vielversprechende materialwissenschaftliche Forschungsvorhaben mit.“

Marek Sierka hat zunächst Chemie studiert: in seiner Heimatstadt Krakau, im norwegischen Bergen und mit einem Stipendium der Max-Planck-Gesellschaft an der Berliner Humboldt-Universität. Hier hat er auch seine Doktorarbeit zu einem Thema der theoretischen Chemie geschrieben, mit der er im Jahr 2000 promoviert wurde. Anschließend arbeitete er für drei Jahre an der Universität Karlsruhe (heute Karlsruher Institut für Technologie, KIT) und kehrte danach an die Humboldt-Universität nach Berlin zurück, bevor er jetzt dem Ruf nach Jena folgte.

Über den Wechsel an die Saale freut sich der verheiratete Familienvater. „Das studentische Flair der Stadt gefällt mir sehr.“ Derzeit pendelt er zwar noch zwischen Berlin und Jena. Doch im Sommer, wenn seine Tochter in Jena eingeschult wird, ist der Umzug der ganzen Familie nach Jena geplant.