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VON DR STEPHANIE KICKUM  |  29.03.2011 09:45

„People Tell Me I’m White and I Believe Them“

Ausstellung mit aktuellen Arbeiten von 27 jungen Künstlern der Kunsthochschule für Medien Köln (KHM) auf der 45. ART COLOGNE

Seit 1997 ist die Kunsthochschule für Medien Köln (KHM) jährlich mit einer Ausstellung auf der ART COLOGNE (13.-17. April 2011) zu Gast. In diesem Jahr präsentiert die KHM die Ausstellung „People Tell Me I’m White and I Believe Them“ mit Arbeiten von 27 jungen Künstlern, wobei der Ausstellungstitel einer Arbeit von René Kemp („Whitey“, 2009) entlehnt ist. Er bezieht sich auf ein Wortspiel, das der US-amerikanische Satiriker Stephen Colbert in seiner Sendung „The Colbert Report“ mit wechselnden Pointen einsetzt. Markiert wird damit eine Umkehrung der vorherrschenden Logik, ein Twist in der Perspektive. Welche Begründungen lassen wir in einer gesellschaftlichen Landschaft gelten, die oftmals von einer fast schon potenzierten Naivität geprägt ist?

Die ausgestellten Arbeiten, die aus knapp 70 Einreichungen ausgewählt wurden, verbindet ein Interesse an teils sehr subtilen, ironischen bis poetischen Wahrnehmungsverschiebungen im Hinblick auf gesellschaftliche Strukturen, Marktmechanismen und mediale Veränderungen: „JENSENs SKULPTUREN FABRIK“ beispielsweise automatisiert den künstlerischen Arbeitsprozess und produziert in Serie abstrakte Skulpturen aus Styropor (Johannes Jensen, 2010). Die Fotoarbeit „885 €“ (2011) von Felix Contzen setzt Bildgegenstand, Produktionskosten und Verkaufswert in Bezug und bildet Eurobanknoten im Wert von 885 EUR ab – jenem Betrag, der, wie zwei Originalquittungen belegen, für die Rahmen der sieben gezeigten Fotografien aufgewendet wurde. Der hypothetische Verkaufspreis beträgt wiederum 885 EUR, womit das Ganze sich als Nullsummenspiel herausstellt.

Wirtschaftliche und machtrhetorische Repräsentationsstrategien werden in der Performance „Ölpreis vs. Actionheroes I“ (2011) von Benjamin Tillig thematisiert. Die 16mm Filminstallation zeigt eine performative Inszenierung – Spektakel im Debord’schen Sinn und Collage einer spektakulären Welt. Zu sehen ist der Künstler selbst, der nach einem kurzen Anlauf zu Fuß von einer 4 m hohen Rampe, wie sie bei Motocross-Shows eingesetzt werden, in einen darunter stehenden Porsche 911 Cabriolet springt.

In Carolina Redondos Videoinstallation „I Bridge“ dient Architektur zugleich als Konstruktionsrahmen des Bildes und als Protagonistin der Erkenntnis. Redondos performativer Akt der zunehmenden Durchdringung einer Membran beschreibt das wechselseitige Zusammenwirken von Körper, Texturen des Verschleierns und urbaner Landschaft.

Die Fotoarbeit „ASN (analogue social network)“ (2010) von Heidi Pfohl bildet ein analoges, soziales Netzwerk als inszenierten Raum ab: Handschriftlich auf Zetteln hinterlassene Telefonnummern realer Personen, von Freunden und Freundes Freunden, die die Künstlerin über mehrere Monate ihrem persönlichen – räumlichen – Netzwerk hinzugefügt/„ge-added“ hat, hinterfragen den Stellenwert von Freundschaften im Zeitalter des Web 2.0. Neben Facebook zählt auch YouTube zu den zentralen, gegenwärtigen Social Media-Plattformen und bildet ein Forum, in dem registrierte Nutzer eigene Videoinhalte einstellen und somit eigene „Fernseh-Kanäle“ programmieren können. Andreas Schneider untersucht in seinem Found-Footagefilm „Eight Characters and Two Syllables“ (2011) die Unterschiede in der Selbstinszenierung von YouTube-Usern, aber auch die Regeln, welche die digitale Community beherrschen. Entstanden ist eine „Online-Feldstudie“ über ein Alltagsmedium, das jedem/jeder eine öffentliche Plattform bietet.

Weg von der digitalen Welt hinein in den analogen, realen Alltag und zu einer aufgrund der aktuellen Ereignisse in Japan umso eindrücklicheren Fotoserie von Nina Poppe: „Ama“ (2010). „Ama-San“ werden in ganz Japan liebevoll jene Frauen genannt, die – wie in die Reife gekommene Meerjungfrauen mit einem Durchschnittsalter von 60 Jahren – ihren Lebensunterhalt mit dem Tauchen nach Seeohren, einer Gattung großer Schnecken mit perlmuttreicher Muschelschale, bestreiten.


Weitere ausgestellte Arbeiten (Stand März 2011) sind:
Fotomontagen von Mia Boysen, „Gebäude 1“, 2011
Fensterinstallation von Allan Gretzki, „X Formation“, 2011
Performance von Philipp Hamann
Objekt mit Sound von Akiro Hellgardt, „o.T.(Pflanze)“, 2011
96-seitiges Heft zum Mitnehmen von Jan Hoeft, „Forderung“, 2010
Fotografien von Changje Hong aus der Serie „View the scenes“, 2009
Rauminstallation von Philip Jaan, „Limbus“, 2011
Fotografien von Polina Kluss aus der Serie „Portraits“, 2011
ortsbezogene fotografische Arbeit von Alwin Lay
typografische Rauminstallation von Jisun Lee & Catrin Mackowski, „White Elephant“, 2011
Rauminstallation von Steffi Lindner, „Falter“, 2011
Videoinstallation von Henning Frederik Malz, „Out of Something“, 2010
Objekt von Lukas Marxt / Videoloop von Daniela Risch, „Heaven“, 2011
8-Kanal-Audioinstallation von Sebastian Thewes, „inverted trigger“, 2011
Installation auf der Piazza von Andrey Ustinov
Inkjetdrucke von Katharina Urbaniak aus der Serie „Albus“, 2010
Leuchtkasten von Nico Weber, „Les Vacances“, 2010.


Die Künstler 2011 im Überblick:
Mia Boysen / Felix Contzen / Allan Gretzki / Philipp Hamann / Akiro Hellgardt / Jan Hoeft / Changje Hong / Johannes Jensen / Philip Jaan / René Kemp / Polina Kluss / Alwin Lay / Jisun Lee & Catrin Mackowski / Steffi Lindner / Henning Frederik Malz / Lukas Marxt / Heidi Pfohl / Nina Poppe / Carolina Redondo / Daniela Risch / Andreas Schneider / Sebastian Thewes / Benjamin Tillig / Andrey Ustinov / Katharina Urbaniak / Nico Weber.

Die Ausstellung wurde konzipiert von Boris Becker (Vertretungsprofessor für Künstlerische Fotografie), Heike Ander (Kuratorin), Andreas Hirsch (Künstlerisch-wissenschaftlicher Mitarbeiter), Bernd Voss (Produktion).


Über die Kunsthochschule für Medien
Die Kunsthochschule für Medien Köln (KHM) wurde 1990 als Nachfolgerin der Kölner Werkschulen eröffnet. Sie bietet seitdem ein in Deutschland einmaliges künstlerisches Ausbildungskonzept, das jenseits vom traditionellen akademischen Klassen- und Meisterschülerprinzip die Bereiche Film, Kunst und Wissenschaft in einem Diplomstudiengang mit dem Titel „Mediale Künste“ verbindet.