Volltextsuche

Erweiterte Suche

ANZEIGE

Im Interview mit Bestsellerautor Matthias Weik  |  03.04.2023 13:25

Deutschlands Bildungsmisere

Wir benötigen Eliteschulen und Hochschulen anstatt Gleichmacherei

Herr Weik Sie widmen dem Thema Bildung ein ganzes Kapitel in Ihrem Buch. Warum?
John F. Kennedy, der 35. Präsident der Vereinigten Staaten, sagte einst: „Es gibt nur eins, was auf Dauer teurer ist als Bildung, keine Bildung.“ Trefflicher lässt sich die immense Bedeutung von Bildung kaum beschreiben. Bildung ist für unser Land das Wichtigste. Deutschlands Reichtum ist nicht ressourcenbasiert. Deutschlands Reichtum basiert auf Hirnschmalz, Wissen und hochqualifizierten Arbeitskräften.

Wie steht es um den Bildungsstandort Deutschland?
Ganz ehrlich gesagt nicht gut. Das einstige Land der Dichter und Denker hat bildungstechnisch längst den Anschluss an die Weltspitze verloren. Bereits an den Schulen beginnt die Misere. Der Anteil Jugendlicher ohne grundlegende schulische Fähigkeiten liegt dem ifo Institut für Wirtschaftsforschung zufolge bei 23,8 Prozent. Das Niveau an Deutschlands Schulen sinkt kontinuierlich.

Das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen ( IQB ) prüfte im Jahr 2021 die Bildungskompetenzen von Viertklässlern in Deutsch und Mathematik. Die Ergebnisse sind ernüchternd. »Der Anteil der leistungsstarken Schülerinnen und Schüler, die den Regelstandard erreichen oder übertreffen, hat in beiden Fächern abgenommen. Zugleich hat der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die den Mindeststandard nicht erreichen und damit ein hohes Risiko für einen weniger erfolgreichen Bildungsweg aufweisen, in allen Kompetenzbereichen teils deutlich zugenommen.« Laut Kultusministerkonferenz ( KMK ) hat sich der negative Trend seit 2016 sogar noch verstärkt. Obendrein halten weniger als 44 Prozent der Schulleiter ihre Lehrkräfte für technisch und pädagogisch kompetent, um neue Technologien sinnvoll in das Unterrichtsgeschehen zu integrieren.

Sie schreiben, dass immer mehr Eltern ihre Kinder auf Privatschulen schicken.
Dieser Trend ist nicht von der Hand zu weisen. Bereits 2019 titelte Deutschlandfunk Kultur: »Boom der Privatschulen. Die Mittel- und Oberschicht setzt sich ab.« Immer mehr Eltern verlieren – oftmals berechtigterweise – das Vertrauen in staatliche Schulen und greifen teilweise tief in die Taschen ihres bereits versteuerten Geldes, um ihrem Nachwuchs die beste Schulausbildung zu ermöglichen.

Obwohl Deutschland weltweit zu den Ländern mit der höchsten Steuer- und Abgabenlast zählt, sehen immer mehr Eltern die besten Schulen nicht mehr in Staatshänden. Unstreitig ist, dass immer mehr Eltern in Deutschland ihre Kinder auf eine Privatschule schicken. Wenn der Geldbeutel der Eltern über den Ausbildungsgrad der Kinder bestimmt, dann ist dies der Super- GAU für ein Land ohne Bodenschätze, dessen Erfolg auf dem Hirnschmalz seiner Bürger basiert.

Und wie steht es um unsere Universitäten?
Deutschlands Universitäten gehören nicht zur Weltspitze. Keine einzige Universität in Deutschland – immerhin die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt - befindet sich unter den globalen Top-49-Universitäten, und keine Universität in der EU befindet sich unter den Top 25, hingegen sieben in Europa – fünf in Großbritannien und zwei in der Schweiz. Die aufstrebende Wirtschaftsmacht China kann bereits fünf Universitäten im Kreis der Top 50 vorweisen. Die USA allein beheimaten 17 der Top-50-Universitäten. Hat ein Land bildungstechnisch den Anschluss verpasst, so sieht es für die Zukunft nicht vielversprechend aus.

Sie schreiben in Ihrem Buch, dass Deutschland nicht nur ein Einwanderungs- sondern auch ein Auswanderungsland sei und Hochqualifizierte das Land verlassen.
Deutschland ist ein Land, in dem in den letzten zwei Jahrzehnten Millionen un- und geringqualifizierte Menschen einwanderten, während Hunderttausende Hochqualifizierte auswanderten – drei Viertel der Auswanderer haben eine Hochschulausbildung. Dies ist ein gewaltiger „brain drain“. Diese Leute fehlen uns bitterlich und verstärken den Fachkräftemangel. Deutschland ist einerseits attraktiv für un- und niedrigqualifizierte Menschen, und andererseits unattraktiv für hoch und höchstqualifizierten Fachkräfte.

Wie können wir attraktiv für hochqualifizierte Menschen aus dem Ausland werden?
In dem das Land interessant für Hochqualifizierte Menschen wird. Wenn Menschen ihre Heimat, ihre Familie, Freunde und ihren Kulturkreis verlassen, dann machen sie das, um Geld zu verdienen und ihren Kindern ein top Bildungssystem zu ermöglichen. Längst wird die deutsche Energie-, Steuer-, Digitalisierungs- und Migrations- und Wohnungspolitik im internationalen Kontext nicht mehr als richtungsweisend wahrgenommen.

Was muss sich ändern
Wenn in einem rohstoffarmen Land wie Deutschland fast acht Mal so viel Steuergeld an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wie an das Bundesministerium für Bildung und Forschung fließt, dann spricht dies Bände für den Wirtschaftsstandort und die Zukunft Deutschlands. Alle Menschen haben gleiche Rechte, aber sie sind gewiss nicht alle gleich. Es gab schon immer clevere und weniger clevere, und so wird es auch immer bleiben. Anstatt das Niveau an den Schulen nach unten so anzupassen, dass auch ja jeder mitkommt und es Eins-Komma-Abschlüsse hagelt, ist auch eine Förderung der geistigen Eliten erforderlich. Andernfalls wird sie mit hoher Wahrscheinlichkeit in nicht unerheblichem Ausmaß das Land verlassen. Deutschland benötigt weniger Gemeinschaftsschulen, weniger Gleichmacherei und stattdessen mehr »Fördern und Fordern«. Deutschland braucht Eliteschulen und Eliteuniversitäten, und zwar staatliche für alle und nicht nur für diejenigen, deren Eltern sich die Gebühren teurer Privatschulen leisten können.

Warum halten Sie Eliteschulen und Eliteuniversitäten für so wichtig?
Was haben Elon Musk (Tesla), Bill Gates (Microsoft), Mark Zuckerberg (Meta, vormals Facebook), Larry Page und Sergey Brin (Google), Jeff Bezos (Amazon), Jack Dorsey (ehemals Twitter) und Brian Acton (WhatsApp-Mitgründer) gemeinsam? Sie haben allesamt private US -amerikanische Eliteuniversitäten besucht, die zu den 20 weltweit besten Universitäten zählen. Hat ein Land bildungstechnisch den Anschluss verpasst, so sieht es für die Zukunft nicht vielversprechend aus. Folglich kann es nicht verwunderlich erscheinen, dass keiner der Tech-Giganten wie beispielsweise Amazon, Apple, Google, Meta, Microsoft oder Tesla aus Deutschland stammt. Wenn für die klügsten Köpfe keine adäquaten Universitäten zur Verfügung stehen, dann werden mit hoher Wahrscheinlichkeit zahlreiche davon Deutschland den Rücken kehren und hochqualifizierte Studenten aus dem Ausland nicht nach Deutschland kommen. Das ist verheerend für das Land.

Wir bedanken uns für das Interview ;-)