VON LISI WASMER | 17.07.2014 13:10

Energiewende: Zu anstrengend, zu teuer, zu unbequem?

Wie weit muss ein Windrad von Wohnhäusern entfernt sein? Welche Alternativen gibt es zur Stromautobahn? Wie können wetterbedingte Engpässe bei der Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen ausgeglichen werden, vor allem vor dem Hintergrund des immer weiter steigenden Energieverbrauchs? Die Fragen der Energiewende sind so zahlreich wie die Ansichten zu vermeintlichen Lösungswegen. Was dabei gerne vergessen wird: Die Energiewende ist mehr als ein „Hardware-Problem“. Neben den richtigen Technologien zählt vor allem das richtige Verhalten der Verbraucher. Und das könnte die Wende um einiges kostengünstiger machen.

Im Grunde sind sich ja alle einig. Der Klimawandel - schlimm ist das, wir müssen uns dringend was einfallen lassen. Eingefallen ist uns die Rückbesinnung auf Energie aus erneuerbaren Quellen. Seitdem weichen rote Dachschindeln immer häufiger schwarzen Photovoltaik-Zellen, vernimmt man aller Orten ein leises Windrad-Rauschen in der Ferne - oder Nähe, das sogenannte „10-H-Gesetz“ zum Mindestabstand zwischen Windrädern und Wohnbauten steht derzeit ja nicht allzu gut da: Elf von zwölf Experten auf Gebieten wie Naturschutz, Kommunalpolitik oder Wirtschaft sprachen sich gegen den Gesetzentwurf der bayerischen Landesregierung aus.

Noch düsterer sieht es für die geplante „Stromautobahn“ von Sachsen-Anhalt nach Meitingen im Landkreis Augsburg aus, über die Engpässe bei der Energiegewinnung aus erneuerbaren Quellen durch Zulieferung aus dem Braunkohlerevier ausgeglichen werden sollten. Zur Umsetzung der umstrittenen Süd-Ost-Trasse werde es „definitiv nicht kommen“, zitiert die „Augsburger Allgemeine“ Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU). Stattdessen werde in Berlin über eine neue Trasse diskutiert, diesmal soll norddeutscher Ökostrom transportiert werden.

Was allen gehört, wird von keinem geschützt

Zu bequem die Welt zu retten?

Unabhängig davon, wo ein Windrad in Zukunft stehen darf und in welche Richtung der Strom durch Deutschland fließen soll, bleibt das Hauptproblem in allen Debatten aber unberührt. Es liegt gewissermaßen in der motivationalen Dissonanz der Bevölkerung. Denn im Grunde sind wir uns, wie schon bemerkt, ja alle einig: Wir sollten etwas gegen den Klimawandel unternehmen. Allein, es ist so anstrengend. Der gemeine Bürger ist für Energiewende-Maßnahmen gerne zu haben – allerdings nur, wenn er nichts dafür tun muss. Energiewende, ja, aber bitte bequem und möglichst ohne eigenes Zutun. Wie ausgeprägt diese Einstellung ist, zeigten 2010 die Reaktionen auf das EU-weite Glühbirnenverbot, das bis 2016 schrittweise durchgesetzt wird.

Und trotzdem ist es eine Wahrheit, um die wir alle nicht herumkommen werden: Die Energiewende braucht mehr als Wind und Sonne. Und auch mehr als einen Netzausbau. Wir alle müssen sparen. Schon im März 2013 machte Anita Richter von der „Stiftung Neue Verantwortung“ in einer Online-Kolumne des Cicero die entsprechende Beobachtung: „Bisher ist die öffentliche Debatte zur Energiewende in Deutschland [...] vor allem auf die Stromproduktion fixiert.“ Ebenso wichtig und eigentlich auch von der Bundesregierung vorgesehen seien aber maßgebliche Energieeinsparungen. „Energieeffizienz“ ist das Zauberwort: Weniger Verbrauch, gleiches Ergebnis.

Ein Konzept, dass den Bundesbürgern eigentlich nur recht sein dürfte, heißt es doch im Grunde nichts anderes als dies: gleiche Leistung, weniger Kosten. Denn wer Energie spart, spart auch Geld.

Nicht nur ein Fall für die großen Fische

Das gilt für den kleinen Haushalt genauso wie für eine ganze Nation: Während in Berlin noch über Stromtrassen diskutiert wird, zeigt eine Studie des Berliner Projekts „Agora Energiewende“ aus dem März, dass ein Netzausbau in den geplanten Dimensionen gegebenenfalls gar nicht von Nöten wäre. Die dazugehörige Pressemitteilung stellt ein entsprechendes Einsparpotential von 20 Milliarden Euro pro Jahr in Aussicht. Der Weg dorthin: Deutschland müsste seinen Stromverbrauch in den nächsten 20 Jahren um zehn bis 35 Prozent senken: „Energie, die nicht verbraucht wird, muss nicht produziert, transportiert und bezahlt werden“, sagt Patrick Graichen, der Direktor des Thinktanks.

Die Energiewende gilt unter anderem deshalb als derart kostenintensiv, weil bei den Kalkulationen mit einem stetig ansteigenden Stromverbrauch gerechnet wird. Energieeffizienz und die tatsächliche Einsparung von Strom kann hier aber durchaus entgegenwirken – und das liegt wiederum in der gesellschaftlichen Verantwortung aller. Spartipps für den Alltag gibt es zu Hauf, Endgeräte mit hoher Energieeffizienz auch. Die Ausreden für andauernde Energieverschwendung werden immer geringer.

Was jetzt noch fehlt ist ein Umdenken in der Gesellschaft. „[...] die Welten vor und hinter der Steckdose und Tankstelle lassen sich nicht so einfach trennen“, schreibt Armin Grunwald, Technikphilosophie-Professor in Karlsruhe und Leiter des Büros für Technikfolgeabschätzung, das den Deutschen Bundestag berät, in einem Gastbeitrag für die „Zeit“. Wer die Energiewende tatsächlich erreichen will, darf nicht darauf hoffen, dass allein technische Innovationen das Problem zu lösen vermögen. Grunwald wünscht sich neue gesellschaftliche Regeln, die letzten Endes zu einer gesteigerten Akzeptanz und Mitwirkung der Bevölkerung führen sollen. Klar ist aber auch: Allein die Schultern der Bürger können die Energiewende nicht tragen. Grunwalds zentrale Bedingung für ein Gelingen ist die „ gerechte Verteilung von Lasten und Nutzen“.