VON LISI WASMER | 05.09.2013 14:36

Alle für einen – Friends of the Earth

Das größte Problem, das Umweltschutzorganisationen in der Regel haben, hat mit ihrem Image zu tun. Der stereotypische Umweltaktivist trägt Cargo-Hosen, Gesundheitssandalen und den Geruch von Waschnüssen, weil Flüssigwaschmittel nicht zu seiner Ideologie passt. Am liebsten ist er draußen, zum Beispiel mit einem Transparent, um auf den Klimawandel aufmerksam zu machen oder mit einer Petition, die die Passanten unterschreiben sollen. Man könnte ihn vielleicht als liebenswerten Träumer bezeichnen, der im Grunde gute Ideen hat, allein aber sicher wenig ausrichten kann gegen die Macht der Industrielobby und die Folgen schlechter Umweltpolitik. Anders sieht es aus, wenn man wie die Friends of the Earth International weltweit über zwei Millionen Mitglieder hat.


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Eine nachhaltige Nutzung und der Schutz natürlicher Ressourcen. Für diese Ziele schlossen sich vor gut 40 Jahren vier Umweltschutzorganisationen aus vier Ländern zusammen: Schweden, die USA, Frankreich und England wurden gewissermaßen Partnerländer im Kampf für mehr Gesundheit und Gerechtigkeit auf der Welt. Heute hat sich die Zahl der Länder, die Mitgliedsorganisationen für Friends of the Earth International stellen, fast verzwanzigfacht.

Hehre Ziele

Das Netzwerk hat sich eine ambitionierte Agenda auferlegt: Unter dem Vorsitz von Jagoda Munic, Biologin und Informationswissenschaftlerin aus Kroatien, streben die Umweltschützer eine „nachhaltige Entwicklung auf lokaler, regionaler, nationaler und internationaler Ebene, [...] die politische, ökonomische sowie die politische Gerechtigkeit und die Chancengleichheit von Mann und Frau“ an, heißt es auf der Website des Bundesamt für Naturschutz (BfN). Konkret geht es um das „alltägliche“ Umweltschutzgeschäft: Lobbyarbeit, Petitionen, Kundgebungen. Der Unterschied zu anderen Netzwerken und Organisationen besteht also hauptsächlich in der Größe des Zusammenschlusses: Verbände aus 76 Nationen auf allen Kontinenten sind beteiligt, über 5000 lokale Aktivistengruppen, 15 angeschlossene Partnerorganisationen und die enorme Basis von mehr als zwei Millionen privaten Mitgliedern.

Freunde so weit das Auge reicht

Ein so großer Verband will organisiert sein. Und so birgt die große Stärke der Friends of the Earth – ihre Reichweite und die schiere Masse an Mitstreitern – gleichzeitig auch die größte Schwäche: ihre Struktur. Denn das Netzwerk möchte, abgesehen von der allgemeinen Strategie- und Interessenabstimmung bei einer zweijährlichen Mitgliederversammlung, eine dezentrale Verwaltung und Organisation hochhalten. So splittet es sich in diverse Subnetzwerke wie etwa die Friends of the Earth Europe in Europa oder den Jugendverband Young Friends of the Earth. Die deutsche Mitlgiedsorganisation ist der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).

Es gibt allgemeine Aktionen wie die Petition gegen Shell, um den Konzern zur Bereinigung der von ihm mitverursachten Ölverschmutzung im Niger-Delta zu bewegen. Es gibt populistische Einzelaktionen wie den Kuss-Flashmob in Manchester. Es gibt vor allem eines: viel. Viele Mitglieder, viele Ziele, viele Aktionen. Was man als Außenstehender dabei vielleicht vermisst, ist die Übersichtlichkeit. Alles wirkt leicht chaotisch, eine effektive Zusammenarbeit über die nationalen Verbände hinaus scheint unwahrscheinlich.

Das Image-Problem

Womit wir wieder beim Image-Problem wären. Der Unterschied zum Cargohosen-Waschnuss-Aktivisten ist aber der: Sie haben Erfolg. Denn bei zwei Millionen Mitgliedern gibt es nicht nur Träumer, es gibt Macher, Aktive und vor allem solche, die nicht davor zurückscheuen, sich bei Politik und Industrie unbeliebt zu machen. Die Liste der Erfolge ist lang und reicht wie im Falle der US-amerikanischen Friends of the Earth vom Staudammabbau zugunsten natürlicher Lachsvorkommen bis hin zur Forcierung von Gesetzen zur Regulierung des KFZ-Schadstoffausstoßes.

Alles prima. Nur eines mutet noch seltsam an: So stark die Organisationen nach eigenen Auskünften auf Transparenz bedacht sind – so undurchsichtig scheint die Finanzierung. Auf den Websites findet sich kaum etwas dazu, das BfN spricht von Mitgliedsbeiträgen und der Förderung durch Regierungen und Stiftungen. Wikipedia zitiert einen Bericht des Europakommissars Siim Kallas, wonach die europäischen Friends of the Earth noch 2006 mehr als 50 Prozent ihrer Gesamteinnahmen aus Fördermitteln erhalten haben sollen. Beteuerungen einer Sprecherin des Verbandes, dies habe keinen Einfluss auf seine Unabhängigkeit, sind dann vielleicht auch nicht mehr als liebenswerte Träumereien.