VON JULIANE DÖLITZSCH |
24.01.2018 09:19
„Hinter Gittern“ studieren
Volkskunde-Studierende der Universität Jena konzipieren Gefängniszelle im Camburger Stadtmuseum neu / Eröffnung am 24. Januar
Wolfgang Vogel vom Institut für Kunst- und Kulturwissenschaften an der Friedrich-Schiller-Universität Jena weiß, wie er Studierende für das Fach Volkskunde begeistern kann. Ein markanter Seminartitel ist dabei der beste Anfang: „Ich wollte neugierig machen, das ist mir anscheinend gut gelungen“, sagt der Volkskundler, der seit dem Sommersemester 2017 das Projektmodul „Hinter Gittern“ betreut, das nun am 24. Januar seinen krönenden Abschluss findet. Dann wird im Stadtmuseum in Camburg eine von Studierenden neu gestaltete, originale Gefängniszelle erstmals gezeigt. Die Öffentlichkeit ist herzlich zur Eröffnung um 19.30 Uhr eingeladen.
„Volkskunde steht oft im Ruf ein wenig angestaubt und nicht sehr praxisnah zu sein. Um einmal mehr den Gegenbeweis anzutreten, haben die Studierenden im Seminar die Gelegenheit erhalten, praktisch tätig zu werden und sich völlig selbstständig auszuprobieren“, berichtet Vogel, der gemeinsam mit der Museumsleiterin in Camburg, Pauline Lörzer, die Idee für das anwendungsorientierte Modul hatte. So gab es bis etwa 1960 vier Gefängniszellen in dem Gebäude, von denen eine seitdem stets als solche gezeigt wurde – mit inzwischen überholtem Konzept. Neue Liebe zum Detail brachten nun rund 15 Master- und Bachelorstudierende der Volkskunde mit. Denn Inhalt des Projektmoduls war die museale Aufbereitung und historische Einordnung der einzigen noch heute zugänglichen Zelle.
Einen authentischen Raum schaffen
„Ergänzend zu unserem sehr theoretischen Studium war dieser Blick hinter die Kulissen eine tolle Abwechslung“, sagt Julia Pfeiffer, die sich künftig auch beruflich eine Tätigkeit im Museum gut vorstellen könnte. „Unsere Aufgabe, einen authentischen Raum zu schaffen und diesen zu erklären, war eine spannende Herausforderung“, findet die 22-jährige Masterstudentin. Und die Aufgabenstellung hatte es in sich, sollten die Studierenden doch sämtliche Aspekte der Museumsarbeit selbst in der Gruppe in Angriff nehmen und meistern. „Neben der Sichtung von Quellen und Akten und dem Aufarbeiten von Berichten mussten wir auch überlegen, was wir aus der Zelle erhalten möchten“, berichtet Bachelorstudentin Verena Plath. „Zudem haben wir die Wände gekalkt, den Boden herausgerissen und neu verlegt, eine Gruppe hatte stets ein Auge auf unser Budget und die Finanzen.“
Und nicht nur die Gefängniszelle selbst ist ab dem 24. Januar einen Besuch wert, auch der Flur davor wurde von den Studierenden der Uni Jena neu bespielt. Hier finden sich die Erläuterungen und Tafeln zu den gewonnenen Erkenntnissen. „Seit 1719 wurden die vier Zellen zur Inhaftierung genutzt, meist aber nur bei kleineren Delikten wie Vagabundieren oder kleinen Diebstählen“, schildert Julia Pfeiffer. „Dementsprechend waren die Aufenthalte in den Gefängniszellen meist nur einige Stunden oder Nächte lang.“
Ein Eindruck, der bleibt
Innerhalb von zwei Semestern ist nun ein puristischer Raum entstanden, der eine vollkommen neue Handschrift trägt und in dem es interessante Details zu entdecken gibt. „Mit dem Ergebnis bin ich sehr zufrieden“, erklärt Seminarleiter Vogel. „Die Studierenden waren von Beginn an mit größtem Engagement dabei. Deshalb freut es mich besonders, dass die Zelle nun dauerhaft so gestaltet bleibt.“ Damit hinterlässt das Projekt nicht nur bei Vogel und den Seminarteilnehmern, sondern auch für die Öffentlichkeit einen bleibenden Eindruck.
Zur Eröffnung wird auch die Volkskundlerin Stephanie Schmidt, die am Seminar für Volkskunde/Kulturgeschichte zur Polizei forscht, einen Einblick in ihre Promotion zum Thema Wut und Strafen geben. Der Eintritt ist frei – standesgemäß ist für die Versorgung mit „Wasser und Brot“ gesorgt.
Kontakt:
Wolfgang Vogel
Institut für Kunst- und Kulturwissenschaften der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Zwätzengasse 3, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 944995
E-Mail: wolfgang.vogel@uni-jena.de