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Welchen Einfluss haben genetische Faktoren auf psychiatrische Erkrankungen? Wie gelingt es dem Gehirn, die aktuellen Informationen der Sinne und unser Vorwissen zu einer schlüssigen Wahrnehmung der Umwelt zu kombinieren? Mit diesen Fragen beschäftigen sich zwei neue "Bernstein Zentren für Computational Neuroscience", die jetzt in Heidelberg/Mannheim und in Tübingen eingerichtet werden. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert diese beiden neuen sowie die drei bisher schon erfolgreich arbeitenden Bernstein Zentren in Berlin, Göttingen und München in den nächsten fünf Jahren mit insgesamt 43 Millionen Euro. In Berlin ergründen die Forscher die Signalverarbeitung im Gehirn, in Göttingen untersuchen sie die Kooperation der verschiedenen Teile des Gehirns und in München erforschen sie die Fähigkeit des Gehirns, räumliche und zeitliche Sinneswahrnehmungen miteinander zu verknüpfen.
"Mit dem Ausbau der Förderung tragen wir maßgeblich dazu bei, das noch junge Forschungsfeld der Computational Neuroscience in Deutschland weiter zu festigen und unsere Rolle als eine der weltweit führenden Forschungsnationen auf diesem Gebiet zu stärken", sagte Bundesforschungsministerin Annette Schavan. "Ein besseres Verständnis von Hirnfunktionen wird über die Grundlagenforschung hinaus auch technologische und medizinische Entwicklungen voranbringen", zeigt sich Schavan überzeugt. Die Anwendungsmöglichkeiten reichen dabei von besseren therapeutischen Ansätzen bei neuronalen Erkrankungen bis hin zur Entwicklung von Neuroprothesen oder intelligenten Maschinen und Robotern.
Die Computational Neuroscience zeichnet sich durch ihren interdisziplinären Ansatz aus: Biologen, Mediziner, Psychologen, Physiker, Mathematiker und Informatiker erforschen gemeinsam die komplexen Strukturen des Gehirns. Hypothesen dazu werden in eine mathematische Sprache gebracht, um sie mit Computersimulationen zu überprüfen. Parallel dazu werden hochkomplexe Datensätze aus den experimentellen Neurowissenschaften mithilfe von computergestützten Methoden analysiert.
Die Bernstein Zentren sind Kern des bundesweiten "Bernstein Netzwerkes Computational Neuroscience", das im Jahre 2004 vom BMBF eingerichtet und seither durch verschiedene Fördermaßnahmen mit einem Gesamtvolumen von jetzt rund 150 Millionen Euro systematisch weiterentwickelt wurde. In rund 200 Arbeitsgruppen an 24 Standorten erforschen Wissenschaftler von Hochschulen, Forschungsinstitutionen und Unternehmen die Grundlagen des Gehirns. Damit gehört das deutsche Netzwerk zu den weltweit größten, die Computational Neuroscience betreiben.
Die fünf Bernstein Zentren im Überblick
Berlin - Präzision und Variabilität
Koordinator: Prof. Michael Brecht, Humboldt-Universität zu Berlin
Förderhöhe: ca. 8,6 Millionen Euro
Das Gehirn arbeitet sehr präzise und verlässlich. Wie bei einem elektronischen System produzieren aber auch im Gehirn die Bauteile - die Nervenzellen - ein Hintergrundrauschen. Wie kodiert das Gehirn, angesichts dieser Variabilität, verlässlich Informationen? Welche neuronalen Signale sind wichtig, welche werden ignoriert?
Göttingen - Kooperative Dynamik und Adaptivität
Koordinator: Prof. Theo Geisel, Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation
Förderhöhe: ca. 8,5 Millionen Euro
Unser Gehirn ist enorm anpassungsfähig. Mit jeder neuen Erfahrung verändert es sich und reagiert auf die nächste Situation ein wenig anders. Wie arbeiten verschiedene, räumlich getrennte Strukturen des Nervensystems, wie Hirngebiete, Nervenzellen oder Moleküle zusammen, um bestimmte Funktionen des Gehirns hervorzubringen? Wie ergibt sich die Anpassungsfähigkeit des Gehirns aus dem kooperativen Zusammenspiel seiner Teile?
Heidelberg/Mannheim - Genetische Determinanten neuronaler Informationsverarbeitung
Koordinator: Dr. Daniel Durstewitz, Zentralinstitut für Seelische Gesundheit
Förderhöhe: ca. 9,6 Millionen Euro
In jüngerer Zeit gab es erhebliche Fortschritte bei der Identifizierung von Risikogenen für eine Reihe psychiatrischer Erkrankungen. Wissenschaftler des Bernstein Zentrums Mannheim/Heidelberg untersuchen den Zusammenhang zwischen genetisch vorbestimmten neuronalen Eigenschaften und deren Einfluss auf Verhalten und Kognition.
München - Neuronale Repräsentationen von Raum-Zeit
Koordinator: Prof. Andreas Herz, Ludwig-Maximilians-Universität
Förderhöhe: 8,5 Millionen Euro
Bei jeder Sinneswahrnehmung entsteht eine Repräsentation unserer Umgebung im Gehirn, in der Raum und Zeit verknüpft sind. Wir hören, aus welcher Richtung ein Geräusch kommt, oder sehen, wie sich ein Objekt durch den Raum bewegt. Welche neuronalen Prinzipien liegen dieser Fähigkeit des Gehirns zugrunde?
Tübingen - Neuronale Mechanismen der Perzeptuellen Inferenz
Koordinator: Prof. Matthias Bethge, Max-Planck-Institut für Biologische Kybernetik
Förderhöhe: ca. 8 Millionen Euro
Perzeptuelle Inferenz nennen Wissenschaftler die Fähigkeit des Gehirns, Sinnesinformationen und Vorwissen zu einer schlüssigen Wahrnehmung zu kombinieren. Die Tübinger Forscher untersuchen, wie das komplexe Zusammenspiel vieler Zellen im Gehirn diese Leistung vollbringen kann.