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Von Marco Bosch  |  11.11.2015 11:02

Fingerzeig ins Leere

Die Situation kennt wahrscheinlich jeder: Man möchte jemanden auf etwas hinweisen und zeigt mit dem Finger darauf. Der Gegenüber versteht einen nicht, findet weder den Igel am Straßenrand noch ein bestimmtes Sternbild am Himmel. Psychologen der Uni Würzburg haben herausgefunden, warum wir uns mittels Zeigegesten so oft missverstehen.

Zeigegesten sind ein wichtiger Bestandteil der zwischenmenschlichen Kommunikation. Die Kommunikation mit Zeigegesten stößt aber an ihre Grenzen, sobald man auf entfernte, unauffällige Objekte zeigt. In diesem Fall verstehen Betrachter von Zeigegesten oftmals nicht, worauf eine andere Person zeigt. Mit einem Experiment hat Psychologe Oliver Herbort von der Uni Würzburg die Gründe dafür untersucht. Über seine Ergebnisse berichtet er im Fachmagazin "Journal of Experimental Psychology: Human Perception and Performance".

Sender und Adressat nutzen unterschiedliche geometrische Regeln

"Die geometrischen Regeln, die beschreiben, auf welche Art eine Person auf etwas zeigt, unterscheiden sich von den Regeln, die zur Interpretation von Zeigegesten herangezogen werden", sagt Herbort. Derjenige, der etwas zeigen möchte, bringt – aus seiner Perspektive – die Fingerspitze in die Nähe des zu zeigenden Objektes. Auge, Fingerspitze und das Objekt liegen in etwa auf einer Linie.

Der Adressat seiner Botschaft hingegen nimmt die zeigende Person mit ins Bild. Er verlängert die Linie, die sich aus Schulter, Arm und Zeigefinger ergibt, in Richtung des Fingerzeigs (siehe Grafik). "Dies führt dazu, dass der Betrachter oft viel zu hoch blickt", erklärt Herbort.

Hartnäckige Missverständnisse trotz lebenslanger Erfahrung mit Zeigegesten

"Im Alltag zeigen wir sehr oft, und das schon ab dem Kleinkindalter. Dennoch scheint es kaum jemandem klar zu sein, dass Zeigegesten systematisch fehlinterpretiert werden", sagt Herbort. Die entstandenen Missverständnisse müssten dann oft sprachlich ausgeräumt werden.

In die wissenschaftlichen Experimente waren Studierende von Herbort stark eingebunden, sowohl bei der Definition der Forschungsfrage und dem Aufbau der Versuche als auch als Probanden. Die Testpersonen mussten unter anderem auf einem Zahlenstrahl auf zuvor angesagte Zahlen zeigen. Per Motion Capturing wurde dabei die Körperhaltung genau festgehalten. In anderen Situationen mussten die Testpersonen Zeigegesten anderer interpretieren.

Dass die Abweichung bei der Interpretation der Gesten von anderen stets zu sehr nach oben ausschlägt, lässt sich mit einem einfachen Versuch demonstrieren. Zwei Versuchsteilnehmer zeigen abwechselnd auf Zahlen auf einem von oben nach unten verlaufenden Zahlenstrahl. Beide Versuchspartner haben die Aufgabe, immer nur auf die Zahl zu zeigen, auf die der andere gerade gezeigt hat. Im Idealfall würden beide also immer auf die gleiche Stelle zeigen. Dennoch zeigen die Versuchspersonen zusehends auf immer höhere Positionen. "Im Prinzip wird das Ziel der Zeigegeste immer als höher eingeschätzt als dies vom Zeiger beabsichtigt ist", sagt Herbort.



Für den nicht-wissenschaftlichen Alltag bedeutet dies: Wer mit Zeigegesten arbeitet, sollte sich nicht wundern, wenn sein Gegenüber ihn nicht versteht. Gleichzeitig sollte man nie zu sicher sein, dass man die Zeigegesten anderer korrekt interpretiert hat – und im Zweifelsfall lieber noch einmal nachfragen.