Marieke Behnel |
23.10.2015 10:24
Gleich und gleich gesellt sich gern:
Bienen bevorzugen Partner mit demselben „Dialekt“
Warum „fliegt“ ein einheimisches Weibchen der roten Mauerbiene nicht auf Männchen aus England oder Dänemark? Bislang nahmen Forscher an, dass Bienen sich hauptsächlich anhand chemischer Duftstoffe für oder gegen einen Fortpflanzungspartner entscheiden. Die Ulmer Biologen Dr. Taina Conrad und Professor Manfred Ayasse haben nun herausgefunden, dass auch Balz-Vibrationsmuster auf die Partnerwahl Einfluss nehmen. Diese unterscheiden sich offenbar von Region zu Region und galten bisher vor allem als Hinweis auf die physische „Fitness“ einer Biene. Ihre Erkenntnisse veröffentlichten die Wissenschaftler jetzt online in der renommierten Fachzeitschrift Current Biology.
Deutsche Weibchen der roten Mauerbiene, einer in Europa weit verbreiteten Wildbienenart, verschmähen englische Männchen. Schuld ist nicht nur die für Bienen kaum überwindbare Distanz zwischen den Ländern. Es sind vielmehr unterschiedliche Vibrationsmuster, die von den Männchen während des Balztanzes erzeugt werden. Dies fanden die Ulmer Biologen Dr. Taina Conrad und Professor Manfred Ayasse vom Institut für Evolutionsökologie und Naturschutzgenomik der
Uni Ulm
heraus. Als ersten Schritt führten die Wissenschaftler Paarungsversuche zwischen Bienen aus Deutschland, England und Dänemark im Labor durch. Aus früheren Studien wussten die Biologen bereits, dass bei den roten Mauerbienen das Weibchen entscheidet, mit wem es sich paart und es dafür besonders starke und gut riechende Männchen bevorzugt. Die neue Untersuchung zeigte nun zudem, dass die weiblichen Bienen sich vor allem für Paarungspartner aus dem eigenen Land entscheiden. Fast nie waren Paarungsversuche zwischen zum Beispiel englischen und deutschen Tieren erfolgreich.
Doch woher wissen die Bienenweibchen, woher ihr Auserwählter stammt? Die Ulmer Forscher vermuteten, dass dafür die Vibrationssignale der Männchen verantwortlich sein könnten: „Möglicherweise sind die Muster von Region zu Region unterschiedlich, vergleichbar mit Dialekten einer Sprache.“ Vielen Insekten dienen Vibrationen als wichtiges Medium für die Kommunikation untereinander, insbesondere beim Balzverhalten. Vibrationen, die von den Bienenmännchen mit ihren Flugmuskeln erzeugt werden, sind für Weibchen über den direkten Körperkontakt spürbar. Dauer der Vibrationen und Verzicht auf lange Pausen signalisieren hierbei, dass ein Männchen besonders ‚fit‘ ist und einen guten Fortpflanzungspartner abgibt. „Wir waren sehr überrascht, dass Bienen die Vibrationssignale nicht nur als Hinweis auf die ‚Fitness‘ des Männchens nutzen, sondern offenbar auch als Information, woher es stammt”, sagt Conrad. „Wir haben nicht erwartet, eine derart komplexe Information in den Signalen enkodiert zu finden.“ Um ihre Vermutung zu überprüfen, führten die Forscher die Bienen in einem zweiten Schritt hinters Licht: Auf dem Rücken der Männchen befestigten sie jeweils einen kleinen Magneten, der mithilfe eines elektromagnetischen Feldes aus einer Spule zum Schwingen gebracht wurde. Dadurch vibrierte das Männchen jetzt im vorab aufgezeichneten Rhythmus eines seiner europäischen Artgenossen. Es nahm also einen fremden „Dialekt“ an. Der individuelle Duft und Verhalten des Männchens wurden nicht beeinflusst.
„Glücklicherweise setzten die Männchen während des Experiments die eigenen Vibrationen aus”, sagt Professor Ayasse. „Dadurch waren die vom Magneten erzeugten Schwingungen tatsächlich identisch mit den aufgezeichneten.“ Dieser Effekt war sogar so stark, dass deutsche Bienenweibchen nun auch englische Männchen zur Paarung zuließen und englische Weibchen deutsche Männchen, wenn diese im eigenen „Dialekt“ vibrierten. Dies wirft ein völlig neues Licht darauf, wie Bienen miteinander kommunizieren und zeigt: Vibrationen enthalten mehr Informationen als bisher angenommen. Kommende Studien sollen Aufschluss unter anderem darüber geben, welche Elemente der Vibrationsmuster die regionale Herkunft verraten.