von Meinhard Heinze-Haus |
20.10.2015 10:26
Forscher kritisieren schwer verständliche IPCC-Berichte
Bonn. - Die Botschaften des Weltklimarats IPCC werden von politischen Entscheidungsträgern und Laien kaum verstanden. Damit wird auch die Umsetzung der IPCC-Berichte behindert. Zu diesem Schluss kommt ein internationales Forscherteam unter Beteiligung der Universität Bonn, das die Berichte des IPCC von 1990 bis 2014 analysierte.
Die Forscher haben ihre Ergebnisse im Fachjournal "Nature Climate Change" veröffentlicht. Anlass der Untersuchung ist die bevorstehende Weltklimakonferenz, die Ende 2015 in Paris stattfinden wird. Grundlage solcher Treffen sind die Berichte des Weltklimarats (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC), der 1988 vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen und von der Weltorganisation für Meteorologie mit dem Ziel gegründet wurde, für politische Entscheidungsträger den wissenschaftlichen Stand der Klimaforschung zusammenzufassen. Seitdem ist das IPCC im Zusammenhang mit dem Klimawandel immer wieder in den Schlagzeilen, die unter anderem schmelzende Gletscher und steigende Meeresspiegel betreffen.
Ein internationales Forscherteam hat nun die Berichte des Weltklimarats von 1990 bis 2014 analysiert und verglichen, inwieweit die Botschaften des IPCC von der Berichterstattung der Medien abweichen. Die Wissenschaftler kommen zu dem Ergebnis, das Politiker in den Fachgebieten eine Promotion benötigen, um die Inhalte zu verstehen. Manche Texte von Albert Einstein seien leichter zu erfassen. "Wenn Regierungen die wissenschaftlichen Fakten nicht verstehen, wie sollen sie dann zu einem Konsens kommen?", fragt Hauptautor Prof. Dr. Ralf Barkemeyer von der KEDGE Business School in Talence (Frankreich), der sich insbesondere Themen der Umwelt und Nachhaltigkeit widmet.
ALGORITHMUS BERECHNET KOMPLEXITÄTSGRAD DER SÄTZE
Das Forscherteam untersuchte mit dem Flesch-Reading-Ease-Algorithmus, wie kompliziert die IPCC-Texte sind. "Der Algorithmus basiert auf der Annahme, dass Texte nicht so gut verstanden werden, wenn die Sätze lang sind und viele schwierige Wörter enthalten", sagt Dr. Giulio Napolitano, Medizininformatiker an der Universität Bonn. Außerdem prüften die Wissenschaftler mit einer speziellen Software, wie negativ die Berichte der Medien im Vergleich zum nüchternen IPCC-Bericht waren.
Die Auswertungen zeigen, dass die Tonalität der Berichterstattung in den Medien häufig deutlich pessimistischer ist als die neutralen Botschaften der IPCC-Berichte und oft auch mit negativen Emotionen behaftete Begriffe wie "Risiko" oder "Bedrohung" verwendet werden. "Aufgrund der Komplexität der Texte kann die Öffentlichkeit die IPCC-Zusammenfassungen nicht verstehen und nicht wirklich erfassen, um welche realen Herausforderungen es geht – dadurch können die Ergebnisse von sogenannten Klimaskeptikern missinterpretiert werden", so Napolitano.
Die schwere Lesbarkeit der Texte führen die Wissenschaftler unter anderem auf den Zwang zum Kompromiss in den IPCC-Gremien zurück: Wo viele unterschiedliche Meinungen zu einer gemeinsamen Linie zusammengeführt werden müssen, bleibt die Verständlichkeit auf der Strecke. Die Wissenschaftler sehen in einer zielgerichteteren Kommunikation eine wesentliche Herausforderung des Weltklimarats, damit die IPCC-Berichte auch von Nicht-Fachleuten verstanden werden.
Publikation: Linguistic analysis of IPCC summaries for policymakers and associated coverage, Nature Climate