VON CARMEN VOIGT |
31.03.2015 10:38
Weltkongress der IAHR in Erfurth
Universität Erfurt begrüßt im August rund 1400 Gäste in der Landeshauptstadt.
Die
Universität Erfurt ist zwischen dem 23. und dem 29. August 2015 Gastgeber des 21. Weltkongresses der “International Association for the History of Religion” (IAHR). Die IAHR wurde 1950 als internationaler Dachverband für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Religion gegründet. Ihr gehören heute die meisten nationalen Dachverbände für Religionswissenschaft bzw. Religionsforschung an, darunter auch die „Deutsche Vereinigung für Religionswissenschaft“ (DVRW), die an der Kongressorganisation mitwirkt. Die Weltkongresse der IAHR finden alle fünf Jahre statt.
Angesichts der Tatsache, dass die letzten fünf Kongressorte Toronto, Tokio, Durban, Mexiko City und Rom waren, mag es überraschen, dass der diesjährige Weltkongress in Erfurt ausgerichtet wird. Tatsächlich befindet sich an der Universität Erfurt aber das größte
Seminar für Religionswissenschaft in Deutschland, zudem verfügt das
Max-Weber-Kolleg der Universität über jahrelange Erfahrung bei der Ausrichtung großer Kongresse und ist als Zentrum für Religionsforschung international ausgewiesen. Dass die Wahl auf den Standort Erfurt fiel, ist also nur auf den ersten Blick überraschend.
Der im August stattfindende 21. Weltkongress der IAHR steht unter dem Motto „Dynamics of Religion: Past and Present“ (Dynamiken der Religion: Vergangenheit und Gegenwart). Damit hat die Tagungsorganisation ein Thema gewählt, das in der Religionsforschung der vergangenen Jahre etwas aus dem Blick geraten ist: historische Dynamiken, d.h. Prozesse der (vergangenen, gegenwärtigen, oder zukünftigen) Veränderung von Religion stehen im Mittelpunkt des Kongresses. Solche Dynamiken und Veränderungsprozesse können Gesellschaften als Ganzes, einzelne religiöse Gruppen oder Individuen betreffen, sich in verändernden theologischen Diskursen, rituellen Praktiken, Glaubensannahmen, oder (Rechts-)Konflikten bis hin gewaltsamen Auseinandersetzungen niederschlagen.
Das Kongressthema „Dynamiken der Religion“ wurde in vier Bereiche gegliedert. Der Bereich „Religious Communities in society: adaptation and transformation“ (Religiöse Gemeinschaften in der Gesellschaft: Adaption und Transformation) beleuchtet die Frage, ob bzw. wie sich religiöse Gruppen und Gemeinschaften an sich wandelnde sozialkulturelle Gegebenheiten anpassen. Hierbei geht es nicht nur um etwaige Anpassungs- oder Abwehrstrategien innerhalb religiöser Gemeinschaften, sondern auch um gesellschaftliche Veränderungen, die durch religiöse Gruppen selbst angestoßen oder verstärkt werden. Der zweite Bereich „Practices and Discourses: Innovation and Tradition“ (Praktiken und Diskurse: Innovation und Tradition) konzentriert sich auf Dynamiken innerhalb der Religion, hier sowohl auf größere Umwälzungen (Religionsgründungen, Schismen, Reformationen, u.a.) wie auf kleinere Dynamiken, etwa im Bereich ritueller Innovation, religiöser Individualisierung, oder auch der Rolle der Frau. Strategien der Kanonisierung, Traditionalisierung oder auch Abwehr religiöser Abweichungen oder Veränderungen (z.B. in fundamentalistischen Strömungen) werden genauso beleuchtet wie die Bereitschaft zu religiöser Innovation und Revolution. Der dritte Bereich „The individual: Religiosity, spiritualities and individualization” (Das Individuum: Religiosität, Spiritualität und Individualisierung) legt den Fokus auf Dynamiken in und um das religiöse Individuum. Grundannahme ist heute, dass Privatisierung, Patchwork-Religiosität oder individuelle Abweichungen keine Phänomene des 20. und 21. Jahrhunderts darstellen. Im Mittelpunkt dieses Bereich steht auch die Frage nach Strategien der individuellen Aneignung oder Abwehr religiöser Symbolsysteme, nach Bedingungen für Konversion, oder auch nach der Bedeutung intensiver religiöser Erfahrungen. Unter welchen Umständen akzeptieren oder verwerfen Individuen religiöse Ge- und Verbote, wie lassen sich plurale religiöse Identitäten oder Patchwork-Religionen (etwa im Bereich der modernen Esoterik) erklären? Schließlich befasst sich der vierte Bereich „Methodology: Representations and Interpretations“ (Methodologie: Repräsentationen und Interpretationen) mit Dynamiken des Wissenschaftsdiskurses. Hierbei geht es etwa um sich verändernde wissenschaftliche Beschreibungen von Religionsgeschichte, um neue methodische Herangehensweisen an den Gegenstand Religion, oder auch um die Revision älterer Beschreibungsmodelle religiöser Veränderung (z.B. Evolutionismus, Säkularisierung, Achsenzeit).