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Um die Auslotung des Problems der "Systemgrenzen" im Spannungsfeld zwischen medizinprodukterechtlichen Vorgaben einerseits und technischen Anforderungen der IT-Integration andererseits geht es bei einem Augsburger Teilprojekt des Forschungsvorhabens "Operationsraum der Zukunft durch bedarfsgerechte dynamisch vernetzbare IT" (OR.BIT). Von den 15 Millionen Euro, mit denen das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) OR.BIT drei Jahre lang im Rahmen des Programms "IKT 2020 - Forschung für Innovationen" fördert, entfallen auf das von Prof. Dr. Ulrich Gassner, dem Direktor der an der Juristischen Fakultät der Universität Augsburg angesiedelten Forschungsstelle für Medizinprodukterecht (FMPR), bearbeitete Augsburger Teilprojekt knapp 240.000 Euro.
An dem interdisziplinären Forschungsvorhaben OR.BIT, das von Prof. Dr. med. Björn Bergh (Direktor des Zentrums für Informations- und Medizintechnik, Universität Heidelberg), Prof. Dr. rer. nat. Tim C. Lüth (Lehrstuhl für Mikrotechnik und Medizingerätetechnik, Technische Universität München) und Prof. Dr.-Ing. Klaus Radermacher (Lehrstuhl für Medizintechnik im Helmholtz-Institut für Biomedizinische Technik der RWTH Aachen) initiiert wurde und koordiniert wird, sind deutschlandweit mehr als 50 Partner aus Wissenschaft und Praxis beteiligt.
Ziel von OR.BIT ist die sichere dynamische Vernetzung medizintechnischer Geräte verschiedener Hersteller im OP auf der Grundlage offener Schnittstellen. Basierend auf den Vorarbeiten der Projektpartner sollen diese Technologien im Hinblick auf die Funktionalität und die Zertifizierbarkeit einer solchen Architektur weiterentwickelt werden. Weiterhin sollen für die im Operationssaal vernetzten Medizinprodukte neue Zertifizierungsstrategien und Konzepte zur Validierung der verschiedenen Softwareschnittstellen und Betreibermodelle für die praktische Umsetzung in der Klinik entwickelt werden.
Medizintechnik und Informationstechnologie im Operationssaal
"Auch im Health-Care-Sektor spielen die modernen Formen der Informationstechnologie eine immer größere Rolle", erläutert Professor Gassner. Die Vernetzung von Medizinprodukten in Operationssälen berge ein riesiges Potential für bessere und schnellere Ergebnisse. Künftig solle deshalb ein Chirurg beispielsweise auf eine Kombination von Daten mehrerer Diagnosegeräte zugreifen und flexibel einzelne dieser Daten austauschen bzw. weitere hinzuschalten können. Letztlich gehe es bei OR.BIT also darum, auf Software- und auf Hardware-Ebene entsprechende Konzepte der Vernetzung zu entwickeln und Grundlagen für spätere Standards zu schaffen.
Anpassung des Rechtsrahmens für Medizinprodukte
"Die Vernetzung von Geräten unterschiedlicher Hersteller", gibt Gassner zu bedenken, "birgt jedoch spezifische Risiken für die Patienten. Vor diesem Hintergrund befassen wir uns an der FMPR innerhalb des Gesamtprojekts mit der Aufgabe, die 'Systemgrenzen' im Spannungsfeld zwischen den medizinprodukterechtlichen Vorgaben einerseits und den technischen Anforderungen der IT-Integration andererseits auszuloten. Konkret werden wir untersuchen, ob und wenn ja, inwieweit die weltweit noch nicht abgeschlossene Regulierung von MedTech-Software sich oberhalb der Ebene von Industriestandards als ausreichend leistungsfähig erweist, um zweckmäßige Integrationslösungen modularen Charakters - etwa durch definierte Mikro-, Makrointegrationsprofile - abzubilden. Auf dieser Grundlage gilt es dann, typische Anschlussfragen rein rechtlicher Natur zu analysieren. Im Vordergrund steht dabei die Abgrenzung der Haftungssphären von Herstellern, von Zulieferern, von Anwendern (inkl. der Systemadministratoren) und von Betreibern, und dies namentlich unter dem Gesichtspunkt der IT-Sicherheit. Weiterhin wird die datenschutzrechtrechtliche Compliance praxisgerechter Integrationslösungen zu prüfen sein. Und schließlich stellt sich der FMPR dann die Aufgabe, zusammen mit den Projektpartnern Initiativen und Lösungsvorschläge für eine Anpassung des Rechtsrahmens für Medizinprodukte zu entwickeln, um eine optimale Integration der vielfältigen normativen Vorgaben für die im Operationssaal vernetzten Geräte zu erreichen."
Beitrag zur Profilbildung im Strategiefeld "Gesundheit" und im "Bio-, Medizin- und Gesundheitsrecht"
Es erfülle ihn mit Genugtuung, erklärt Gassner, dass seine jahrelangen Bemühungen um eine bundesweite interdisziplinäre Vernetzung und um eine praxisorientierte Rechtswissenschaft im OR.BIT-Kontext nun begännen, Früchte zu tragen. Darüber hinaus freue es ihn, dass durch die Beteiligung der FMPR an diesem hochkarätigen BMBF-Projekt das Profil der Universität Augsburg im neuen zentralen Strategiefeld "Gesundheit" und das Profil der Juristischen Fakultät im Bereich des Bio-, Medizin- und Gesundheitsrechts weiter an Schärfe gewännen.