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Ob bei der Nutzung des Internets oder beim Griff zum Telefon: der im Alltag üblichen, reibungslosen Kommunikation liegen ausgeklügelte Netzwerke zugrunde, über die Daten weltweit mit Lichtgeschwindigkeit zwischen verschiedenen Knoten verteilt werden. Entsprechende Netzwerke für den Austausch von Quanteninformation stellen eine enorme Herausforderung dar. Sie würden sich in ihren Eigenschaften drastisch von klassischen Netzwerken unterscheiden und hätten – neben ihrer Bedeutung für fundamental-physikalische Fragestellungen – Anwendungen im Bereich der abhörsicheren Kommunikation, der Simulation komplexer physikalischer Vielteilchen-Systeme oder der Vernetzung mehrerer Quantencomputer zu einer Recheneinheit. Voraussetzung für funktionierende Quantennetzwerke sind stationäre Netzwerkknoten, die Quanteninformation reversibel austauschen können. Hier ist jetzt einem Team von Prof. Gerhard Rempe, Direktor am Max-Planck-Institut für Quantenoptik (MPQ) in Garching und Leiter der Abteilung Quantendynamik, der Durchbruch gelungen: die Physiker haben ein erstes, elementares Quantennetzwerk aus zwei gekoppelten Knoten verwirklicht, zwischen denen über den kohärenten Austausch einzelner Photonen Quanteninformation übertragen wird (Nature, DOI: 10.1038/nature11023, 12. April 2012). „Dieser Ansatz für die Realisierung eines Quantennetzwerks ist vor allem deshalb so erfolgversprechend, weil er klare Perspektiven für seine Erweiterbarkeit bietet“, betont Prof. Rempe.
Quanteninformation ist extrem fragil und kann nicht kopiert werden. Damit die zu übertragenden Quantenzustände nicht verfälscht werden oder gar verloren gehen, müssen die einzelnen quantenmechanischen Komponenten in einem Netzwerk perfekt kontrolliert werden. Einzelne Atome sind die kleinstmöglichen stationären Speicher und einzelne Photonen eignen sich hervorragend für die Übertragung von Quanteninformation. Doch ein effizienter Datenaustausch setzt voraus, dass die Wechselwirkung zwischen Atom und Photon ausreichend stark ist. Mit Atomen im freien Raum lässt sich dieses Konzept daher nicht realisieren. Einem Vorschlag von Prof. Ignacio Cirac (Direktor und Leiter der Abteilung Theorie am MPQ) folgend, setzt das Team von Prof. Rempe schon seit vielen Jahren auf Systeme, in denen sich die einzelnen Atome in optischen, von zwei hoch reflektierenden Spiegeln gebildeten Resonatoren befinden. Bei der Emission von Photonen bewirkt der Resonator, dass diese gerichtet und kontrolliert ausgesendet und somit effizient zu anderen Netzwerkknoten geschickt werden können. Ein eingestrahltes Photon wird im Resonator zig-tausend Mal zwischen den Spiegeln reflektiert. Dadurch wird die Atom-Photon-Wechselwirkung so stark erhöht, dass die kohärente Absorption mit hoher Effizienz erfolgt.
Im Experiment bestand die erste zu meisternde Herausforderung darin, die Atome im Resonator für längere Zeit festzuhalten. Dies geschieht mit fein abgestimmten Laserstrahlen, um das Atom möglichst wenig zu stören. Als nächstes gelang es den Physikern, die Atome zur gezielten Aussendung von Lichtquanten zu bringen. Schließlich konnten sie nachweisen, dass diese Anordnung die perfekte Schnittstelle bildet, um die in Lichtquanten kodierte Information über längere Zeit in dem Atom zu speichern und wieder auf andere Lichtquanten zu übertragen. Mit der vorliegenden Arbeit wurde nun der Meilenstein erreicht, zwei solcher Atom-Resonator-Systeme miteinander zu verknüpfen und zwischen ihnen Information mit hoher Effizienz und Reproduzierbarkeit zu übermitteln. Die beiden Systeme, die jeweils einen Netzwerkknoten bilden, befinden sich in zwei 21 Meter voneinander entfernten Laborräumen und sind über eine 60 Meter lange Glasfaser verbunden.
Der große Unterschied zwischen einem solchen Quantennetzwerk und einem klassischen Netzwerk liegt in den fundamental anderen Eigenschaften der ausgetauschten Information. Während ein klassisches Bit entweder den Zustand 0 oder 1 hat, können Quantenbits beide Werte gleichzeitig annehmen – man spricht hier von einer „kohärenten Überlagerung“ beider Zustände. Erst bei einer Messung des Quantenbits wird dieses auf einen der beiden Werte projiziert. Im Atom wird die zu übertragende Quanteninformation in einer kohärenten Überlagerung zweier Energieniveaus kodiert. Wenn das so präparierte Atom in Knoten A, induziert durch Lichtpulse aus einem Steuerlaser, ein Photon aussendet, dann wird sein Quantenzustand auf die Polarisation des Photons abgebildet. Über die Glasfaser gelangt das Photon zu Knoten B, wo es von dem dortigen Einzelatom kohärent absorbiert wird. Dabei wird der ursprüngliche Zustand von Knoten A über das Photon auf Knoten B übertragen. Danach ist A bereit, ein Quantenbit zu empfangen, während B in der Lage ist, das gespeicherte Quantenbit zu beliebiger Zeit zurück oder an einen weiteren Knoten zu schicken. Aufgrund dieses symmetrischen und umkehrbaren Verhaltens lässt sich das System zu beliebigen Netzwerkkonfigurationen mit vielen Atom-Resonator-Knoten erweitern. Zum Auslesen der atomaren Quantenzustände werden diese erneut auf die leicht messbare Polarisation einzelner Photonen übertragen. „Wir können dabei nachweisen, dass die Übertragung von Quantenzuständen weit besser funktioniert, als es mit klassischen Verfahren grundsätzlich möglich wäre, und haben somit die Machbarkeit des theoretischen Vorschlags von Prof. Cirac bewiesen“, erklärt Dr. Stephan Ritter, der das Experiment geleitet hat.
Im nächsten Schritt gelingt es den Wissenschaftlern, zwischen den zwei weit voneinander entfernten Quantenknoten eine quantenmechanische „Verschränkung“ zu erzeugen. Dieser höchst eigentümliche Zustand verknüpft zwei Quantenobjekte in der Art, dass ihre Eigenschaften eng korreliert sind, unabhängig von der Distanz zwischen ihnen. Dieses vor fast einhundert Jahren vorhergesagte Phänomen hat Albert Einstein (der daran nicht glauben mochte) als „spukhafte Fernwirkung“ bezeichnet. Die Produktion eines Photons in Knoten A erfolgt jetzt so, dass sein Polarisationszustand mit dem Quantenzustand des emittierenden Atoms verschränkt ist. Diese Verschränkung überträgt sich bei der Absorption auf Atom B. Nie zuvor wurde Verschränkung zwischen massiven Quantenobjekten über eine so große Entfernung wie hier erzielt. Es handelt sich somit um das weltweit „größte“ Quantensystem mit massiven Teilchen.
„Wir haben hier erstmals den Prototyp eines Quantennetzwerks realisiert“, resümiert Stephan Ritter. „Wie können reversibel Quanteninformation von einem Netzwerkknoten auf einen anderen übertragen. Darüber hinaus können wir die quantenmechanische Verschränkung zwischen beiden Knoten über einen Zeitraum von 100 Mikrosekunden aufrecht halten, das ist rund 100 Mal länger, als für die Erzeugung der Verschränkung gebraucht wird. Die Verschränkung zweier Systeme über große Distanzen ist schon für sich genommen ein faszinierendes quantenmechanisches Phänomen. Sie kann aber im Prinzip auch als Ressource genutzt werden, um Quantenzustände zu teleportieren. Dies wird eines Tages nicht nur die Quantenkommunikation über sehr große Entfernungen ermöglichen, sondern vielleicht sogar ein ganzes Quanten-Internet.“ Olivia Meyer-Streng