VON MAXIMILIAN REICHLIN | 25.06.2013 12:10

Bauen mit Müll – eine völlig neue „Wegwerfgesellschaft“

Ob nun die „Earthships“ des amerikanischen Architekten Mike Reynolds oder die „Garbage Homes“ in den Armutsvierteln Boliviens – der Trend, Häuser aus recyceltem Material zu bauen, findet in den letzten Jahren immer mehr Anklang. Wo, wie und von wem werden solche „Müllhäuser“ gebaut und wer wohnt dann darin? UNI.de über einen der interessantesten Beiträge zu einer nachhaltigen Gesellschaft.

„Garbage Homes“ und „Earthships“, Häuser aus Müll. Sie muten an wie die Visionen eines umweltbewussten Science-Fiction-Autors. Viel fehlt dazu bei Architekt Mike Reynolds auch nicht mehr. Ähnlich wie Asimov seine Roboter-Gesetze, formulierte auch Reynolds in den 70er Jahren drei einfache Regeln für die von ihm geplanten „Earthships“. Erstens: Sie sollten nachhaltig sein und ausschließlich aus recyceltem Material bestehen. Zweitens: Sie sollten autark sein und nur durch natürliche Energiequellen versorgt werden. Drittens: Jeder Mensch sollte ohne besondere Vorkenntnisse in der Lage sein, ein solches „Earthship“ zu bauen.

Mike Reynolds und seine „Earthships“

Ohne Geld leben?

Heute ist er in der Lage, jede dieser Regeln einzuhalten. Seine "Earthships" sind Häuser, die in die Erde gebaut werden und dadurch ein konstantes Klima haben. Gedämmt werden sie durch alte Autoreifen, die mit Sand gefüllt werden. Der nötige Strom wird durch Wind und Sonne gewonnen, die Wasserversorgung wird aus einem eigenen Wasserkreislauf gespeist, der das Regenwasser einem kleinen Garten und einer natürlichen Kläranlage zuführt, frei von Chemikalien. In wärmeren Gebieten kann optional noch ein Kühlsystem angeschlossen werden, in kälteren eine Heizung. Damit können die „Earthships“ nicht nur von jedem, sondern auch überall gebaut werden.

Doch nicht überall existieren auch die rechtlichen Grundlagen für ein solches Bauvorhaben. Strikte Bauauflagen in den USA und vielen europäischen Ländern machten Reynolds Weg zu den perfekten „Earthships“ steinig, da die Verwendung von Autoreifen vielerorts als „illegale Entsorgung“ gilt und auch private Kläranlagen ein rechtliches Problem sind. Versuche, ganze Siedlungen aus „Earthships“ zu errichten, wurden von der Regierung der Vereinigten Staaten verhindert. Erst durch Reynolds Arbeit in ärmeren Gegenden oder in Gebieten, die vom Hurricane „Katrina“ 2005 stark verwüstet worden waren, wurden Regelungen in Kraft gesetzt, die seine Arbeit unterstützten. Heute ist es in den USA, zumindest in Ausnahmefällen möglich, „Earthships“ zu errichten.

Ingrid Vaca Díez und ihre „Garbage Homes“

In ähnlichen Gebieten wie Reynolds ist auch die Umweltaktivistin Ingrid Vaca Díez tätig. In Bolivien, wo etwa 40 Prozent aller Einwohner unter der Armutsgrenze leben oder in den stark verwüsteten Regionen auf Haiti errichtet sie „Garbage Homes“. Da die gebürtige Bolivianerin nur wenig finanzielle Unterstützung erfährt, muss sie für den Bau der „Garbage Homes“ Materialien benutzen, die im Überfluss vorhanden sind. Meist sind dies leere Plastikflaschen (Video). Mit Sand gefüllt und mit Mörtel verbaut bilden sie die Grundlage für die „Garbage Homes“.

Diese Ideen finden Anklang. Auf der ganzen Welt kämpfen nun bereits Organisationen und Privatpersonen um die gesellschaftliche und juristische Unterstützung für „Earthships“ und „Garbage Homes“. In Europa beispielsweise haben sich mittlerweile die "European Earthships Builders United" zusammen geschlossen, mit dem Ziel, Freiwillige für den Bau von „Earthships“ in ganz Europa zu organisieren.