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VON CARMEN VOIGT  |  05.02.2015 15:58

Knapp 230.000 Euro für gemeinsame Forschung

DFG bewilligt Fördermittel für Kooperationsprojekt der Universitäten Erfurt und Heidelberg

Mit finanziellen Mitteln in Höhe von insgesamt 229.000 Euro fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) ein Kooperationsprojekt von Wissenschaftlern der Universitäten Erfurt und Heidelberg für die Dauer von 18 Monaten. Der Titel des Projektes lautet „How Rational is Rational Imitation? Investigating Cognitive Processes Underlying Rational Imitation in Preverbal Infants“, inhaltlich geht es um die Erforschung des sozialen Lernens von Kindern im Alter von einem Jahr. Durch die Fördermittel – 112.225 Euro für die Universität Erfurt – kann eine Doktorandenstelle besetzt werden. Projektauftakt ist zum Semesterstart im April.

„Die Idee zu unserer Zusammenarbeit beruht auf einer Fragestellung, die ich zusammen mit Dr. Susanne Grassmann von der Universität Zürich hatte“, erinnert sich Dr. David Buttelmann, Leiter der an der Universität Erfurt angesiedelten Nachwuchsforschungsgruppe „Kleinkindforschung in Thüringen“: „Ist es möglich, dass selektives Modell-Lernen von Kleinkindern auf einer Verletzung der von ihnen erwarteten Handlung basiert?“ Diese Frage nach dem Modell-Lernen wollen die Wissenschaftler um David Buttelmann auf drei unterschiedliche Weisen untersuchen: 1) behavioural (also verhaltensbeobachtend in Live-Interaktion), 2) mittels Eye-Tracking und 3) mittels Elektroenzephalografie (EEG). Die beiden kooperierenden Wissenschaftlerinnen aus Heidelberg – Prof. Dr. Sabina Pauen und PD Stefanie Höhl – sind Expertinnen in der Durchführung von EEG mit Säuglingen. Die verhaltensbeobachtende Studie und das Eye-Tracking sollen hingegen in Erfurt stattfinden.

Ziel des Forschungsprojektes ist es, zu untersuchen, ob selektives Modell-Lernen von Handlungen im Säuglingsalter auf einer Erwartungsverletzung seitens der Kinder beruht. Ein Beispiel: Ein Kind beobachtet einen Erwachsenen, der ein Werkzeug benutzt, um eine Belohnung zu bekommen. In einer Bedingung („Zugang blockiert“) benutzt er das Werkzeug, weil er anders nicht an die Belohnung kommt. In der anderen Bedingung („Zugang frei“) benutzt er das Werkzeug obwohl er auch hätte die Belohnung direkt greifen können. Wenn nun dem 14 Monate alten Kind die Möglichkeit gegeben wird, nach der Belohnung zu greifen, ist dessen Weg immer frei. Hat das Kind zuvor einen Erwachsenen beobachtet, der das Werkzeug benutzen musste, nimmt es selbst kaum das Werkzeug zur Hand. Hat das Kind jedoch zuvor einen Erwachsenen beobachtet, der das Werkzeug benutzte, obwohl dies nicht nötig war, benutzt es das Werkzeug. Die Interpretation früherer Studien zu diesem Befund ist, dass Säuglinge bereits die Freiwilligkeit von Handlungen verstehen und – wenn sie die Wahl haben, ob sie vom Modell lernen oder nicht – vorwiegend freiwillig ausgeführte Modell-Handlungen lernen.

Allerdings gibt es auch eine spannende alternative Hypothese: Wenn der Weg des Erwachsenen blockiert war, hatten die Kinder gar nicht erst erwartet, dass er direkt zur Belohnung greift. Die Benutzung des Werkzeuges stellte somit keine Verletzung der Erwartungen des Kindes dar. Wenn hingegen der Weg zur Belohnung frei war, erwarteten die Kinder, dass der Erwachsenen direkt zur Belohnung greift. Diese Erwartung wurde allerdings verletzt, denn der Erwachsene benutzte, wie auch in der anderen Bedingung, das Werkzeug. Das bedeutet, dass die Erwartung des Kindes „das Modell greift direkt zur Belohnung“ verletzt wurde und somit zu einer Aufmerksamkeitssteigerung führte. Diese Aufmerksamkeitssteigerung könnte zu einer Zunahme des Modell-Lernens geführt haben. Buttelmann: „Wir wollen jetzt prüfen, ob die Einjährigen eine solche Erwartung tatsächlich haben und ob eine Verletzung dieser zur erhöhtem Modell-Lernen führt. Erwartungsverletzung lässt sich hervorragend mit EEG und Eye-Tracking messen. In der verhaltensbeobachtenden Studie werden wir die Kinder mit verschiedenen Modellen konfrontieren und somit dafür sorgen, dass sie verschiedene Erwartungen aufbauen. Anschließend untersuchen wir, ob diese Erwartungen tatsächlich zu Unterschieden im Modell-Lernen führen.“

Dr. David Buttelmann freut sich über die Förderzusage der DFG: „Die Beantragung von Drittmitteln ist heutzutage ein sehr steiniger Weg. Dass unser Antrag jetzt bewilligt wurde, zeigt, dass die Arbeit, die ich mit der Nachwuchsforschungsgruppe verfolge, inzwischen sichtbar Früchte trägt und dass wir mit unserer Forschung neue Wege beschreiten, damit sich die Universität Erfurt als ‚Standort für Forschung zur Kompetenzentwicklung im Kleinkindalter‘ behaupten kann. Gerade an unserer Hochschule, an der die Ausbildung von Lehrkräften so stark im Fokus steht, ist es wichtig, Wissen darüber zu generieren, worauf die Bildung von Kindern im Schulalter aufbaut. Um diese positiv zu beeinflussen, halte ich den Wissenserwerb über die Lernprozesse der künftigen Schüler für unabdingbar.“