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Interview: Arbeitszeugnis anfechten

Wohlwollend und berufsfördernd soll ein Arbeitszeugnis sein. Doch nicht jede Bewertung entspricht diesem Standard. Dr. Martin Hensche, Fachanwalt für Arbeitsrecht, informiert zur Rechtslage.

Ein Arbeitszeugnis soll zugleich wohlwollend und wahr sein. Wie erkennt der Arbeitnehmer, ob seine Beurteilung diesen Anforderungen entspricht?
Der Wahrheitsgehalt eines Zeugnisses lässt sich am besten an der Aufgabenbeschreibung festmachen. Wenn etwa die Tätigkeit einer Führungskraft als reine Mitarbeit beschrieben wird, oder wichtige Projekte und Arbeitsergebnisse nicht erwähnt werden, gibt dies Anlass zur Kritik.

Bezüglich der Bewertung ist eine Antwort schwieriger zu treffen. Ein Zeugnis ist dann wohlwollend, wenn es hilfreich für den weiteren Berufsweg ist. So hat ein Arbeitnehmer mit herausragenden Leistungen Anspruch auf eine sehr gute Bewertung. Nach einer begründeten, fristlosen Kündigung und vorausgegangenen schlechten Leistungen hingegen kann allerdings auch ein ausreichendes Zeugnis noch wohlwollend sein. In einem solchen Fall hat der Arbeitnehmer allenfalls Anspruch darauf, dass der Grund für die Beendigung des Arbeitszeugnisses nicht erwähnt wird.

Zu den Warnsignalen für ein nicht berufsförderndes Zeugnis zählen Widersprüche im Text. Das kann der Fall sein, wenn durchschnittliche Bewertungen im Zeugnistext und eine sehr gute Schlussbewertung aufeinander treffen. Auch eine Diskrepanz zwischen sehr langer Stellenbeschreibung und extrem kurzer Leistungsbewertung ist meist negativ zu werten.

Wie sieht ein Zeugnis aus, das rechtliche Schritte rechtfertigt?
Ein Beispiel aus der Praxis: Ein Teamleiter in der Buchhaltung eines Unternehmens war hauptsächlich als Projektleiter tätig. Im Zeugnis wird aber nur die Mitarbeit bei Projekten bescheinigt, weder die Leitungsrolle noch die Personalverantwortung werden erwähnt oder bewertet.

Ein Arbeitnehmer mit Personalverantwortung hat Anspruch auf Erwähnung und Bewertung der Führungsaufgaben. Auch bedeutsame Tätigkeiten und Projekte - etwa bei einer Umstrukturierung im Betrieb - müssen im Zeugnis stehen. Bei langjährigen Mitarbeitern ist zudem wichtig, dass der gesamte Verlauf des Arbeitsverhältnisses im Zeugnis berücksichtigt wird, und nicht nur die letzten Aufgaben.

Wie kann sich ein Arbeitnehmer gegen ein schlechtes Zeugnis wehren?
Als erster Schritt empfiehlt sich, das Gespräch mit Vorgesetzten oder der Personalabteilung zu suchen. Die meisten Differenzen bezüglich einer Zeugnisbewertung lassen sich gütlich klären. Kommt es zu keiner Einigung, sollte der Arbeitnehmer sich von einem Anwalt beraten lassen, ob er Anspruch auf eine Berichtigung des Zeugnisses hat.

Davon, dem Arbeitgeber schon bei einem ersten gütlichen Gespräch mit dem Anwalt zu "drohen", rate ich dringend ab. Schon das Einschalten eines Rechtsanwaltes wird von den meisten Arbeitgebern als Zumutung empfunden und verschärft die Situation. Dies sollte man erst tun, wenn der Arbeitgeber zur Zeugniskorrektur nicht bereit ist. Der letzte Schritt ist dann die Klage, wenn die außergerichtlichen Bemühungen des Anwalts erfolglos bleiben.

Wann lohnt sich für den Betroffenen die Klage?
Eine Zeugnisberichtigungsklage sollte nur bei schwerwiegenden Mängeln angestrebt werden. Denn ein Rechtsstreit verschärft den Konflikt zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber und kann für den Kläger eine große Belastung darstellen.

Betroffene sollten außerdem bedenken, dass ein Rechtsstreit mit dem vorherigen Arbeitgeber dem Ruf in der Branche schaden kann. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn im Laufe eines Bewerbungsverfahrens der Wunscharbeitgeber Informationen zum Bewerber beim ehemaligen Betrieb einholt.

Hier muss der Arbeitnehmer abwägen, ob ein Zeugnis, das er als ungenügend empfindet, ein Verfahren rechtfertigt. Viele Diskussionen um einen angeblichen "Geheimcode" im Zeugnis sind zudem Geschmackssache: Würde es einen eindeutigen Code geben, müsste dieses Wissen den Personalern während der Ausbildung vermittelt werden - und dann wäre der Code nicht mehr geheim.

Wie geht der Betroffene im Fall einer Klage am besten vor?
Viele Arbeitnehmer überschätzen ihre Aussichten in einem Verfahren. Schließlich hat der Arbeitgeber die "Formulierungshoheit", darf also grundsätzlich ein Zeugnis so verfassen, wie es ihm angemessen erscheint. Daher sollte der erste Weg zum Fachanwalt führen, der einschätzen kann, ob sich eine Zeugnisberichtigungsklage lohnt.

Kommt es zur Klage, findet im Prozess zunächst einmal ein Gütetermin statt. Hier treffen sich Richter und streitende Parteien, um eine gütliche Einigung herbeizuführen. Ich rate dringend dazu, sich bei diesem Termin mit dem Arbeitgeber im Wege des Vergleichs zu einigen. Zum einen führt ein Vergleich im Gütetermin zu einem schnellen Abschluss des Verfahrens - Betroffene können bereits nach drei bis vier Wochen nach Klageeinreichung mit einem Gütetermin rechnen.

Außerdem belastet ein Vergleich das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer deutlich weniger als ein Urteil. Zuletzt kann ein Vergleich im Gütetermin auch Regelungen zu Gunsten des Arbeitnehmers enthalten - etwa das Einfügen der Bedauerns- und Wunschformel am Ende des Zeugnisses - auf die kein Rechtsanspruch besteht. Im Wege des Vergleichs kann der Arbeitnehmer daher möglicherweise mehr durchsetzen als im Wege eines optimalen Urteils.

Gibt es klare Anzeichen für die Erfolgsaussichten?
Die Beweislast vor Gericht liegt bis zur Note Gut beim Arbeitnehmer. Wer also ein gutes oder sehr gutes Zeugnis begehrt, muss beweisen können, dass Leistung und Arbeitsqualität über dem Durchschnitt lagen. Ohne Zeugen - das könnten Kollegen oder Kunden sein - ist das erfahrungsgemäß schwierig.

Anders sieht die Situation aus, wenn das Zeugnis unterdurchschnittlich ausfällt. Dann ist der Arbeitgeber in der Pflicht, die schlechte Leistung des Arbeitnehmers zu belegen. Generell hat ein Arbeitnehmer sehr gute Aussichten, wenn er ein Zwischenzeugnis vorlegen kann, das seinen Anspruch belegt und jünger als ein Jahr ist.

Gibt es Fristen für den Gang zum Gericht?
Im Arbeitsvertrag oder in einem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrag können Ausschlussfristen enthalten sein. In diesem Fall verfällt der Anspruch auf Zeugnisberichtigung, wenn er nicht fristgerecht geltend gemacht wird. Tarifliche Ausschlussfristen sehen üblicherweise zwei bis sechs Monate vor, bevor der Anspruch auf Zeugnisberichtigung erlischt. Entsprechende Fristen im Arbeitsvertrag müssen mindestens drei Monate betragen.

Falls keine vertragliche Regelung vorliegt, gilt grundsätzlich die Verjährungsfrist von drei Jahren. In der Praxis entscheiden viele Gerichte allerdings, dass der Anspruch auf Zeugnisberichtigungsklage bereits nach vier bis fünf Monaten durch zu langes Zuwarten verwirkt ist.

Wie lange dauert das Verfahren in der Regel?
Wird keine gütliche Einigung erzielt, dauert eine Zeugnisberichtigungsklage im Durchschnitt vier Monate bis zum Abschluss der ersten Instanz. Geht das Verfahren in die zweite Instanz, kann sich der gesamte Prozess bis zu einem Jahr hinziehen.

Wie teuer kann ein solches Verfahren für den Arbeitnehmer werden? Deckt eine Rechtschutzversicherung die Kosten ab?
Die Rechtsanwaltsgebühren betragen laut Gesetz bei einem Monatsverdienst von 4000 Euro in etwa 750 bis 1050 Euro - je nachdem ob es zum Vergleich kommt, oder ein Urteil erstritten wird. Diesen Betrag deckt auch die Rechtsschutzversicherung. Allerdings werden viele Kanzleien auf den Abschluss einer Gebührenvereinbarung dringen, die zu höheren Anwaltsgebühren führt, da der Aufwand für eine Zeugnisberichtigungsklage sehr hoch ist.

Dr. Martin Hensche ist Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der Sozietät Hensche Rechtsanwälte in Berlin. Seine Tätigkeitsgebiet umfasst unter anderem individuelles und kollektives Arbeitsrecht Kündigungsschutz, Aufhebungsverträge, Betriebsübergänge, Betriebsschließungen und Insolvenzen

VON MONSTER.DE REDAKTION MONSTER.DE

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