VON RICHARD KEHL | 07.06.2011 19:16

Zerbricht Staufen? Erdwärme-Bohrungen verursachen Desaster

Die Stadt Staufen im Breisgau in Baden-Württemberg nahm schon immer eine Vorreiterrolle in Sachen Ökologie ein. Nun ist der Stadt ihre umweltbewusste Ader zum Verhängnis geworden: Schuld daran sind Erdwärme-Bohrungen, durch die man die Region autark mit Energie versorgen wollte. Warum die Heimat der Staufener auf dem Spiel steht.

Staufen: eigentlich eine Stadt wie aus dem Bilderbuch. Hier hat auch in gewisser Dr. Faust im 1407 erbauten Gasthof Löwen gelebt und dort sein Unwesen getrieben. Man munkelt, dass er hier okkulte Rituale durchgeführt hat, die letztendlich auch als Vorlage für Goethes „Faust“ gedient haben sollen. Noch heute kann man in der Fauststube Bilder, die das Leben des Dr. Faust beschreiben, bewundern - aber womöglich nicht mehr allzu lange. Die Stadt droht, vom Erdboden verschluckt zu werden. Allerdings handelt es sich nicht um die Auswirkungen okkulter Rituale, sondern um ein hausgemachtes Problem, entstanden durch Erdwärme-Bohrungen.

Mit Erdwärme-Bohrungen wollte man ökologisch saubere Energie nutzen, um sich unabhängig von anderen Energieanbietern zu machen. Aber erstens kommt es anders, zweitens als man denkt. Den Erdwärme-Bohrungen ist es zu verdanken, dass die Mauern und Fassaden bröckeln, Böden zeigen überall Risse. Die Stadt droht, im wahrsten Sinne des Wortes, vom Erdboden verschluckt zu werden. Manche Einwohner glauben nachts die schleichende Gefahr zu hören. Überall knackt es im Holz- und Mauerwerk, Putz rieselt von den Wänden. Die Umgebung rund um die Stadt Staufen ist in großer Sorge. Das Phänomen blieb Jahre lang unerklärt, man schob es auf den Straßen-Durchgangsverkehr oder auf Bauarbeiten. Aber keiner dieser Vermutungen für die Schadensbildung bestätigten sich.

Ein Geologe brachte mit einem Gutachten über die Bodenbeschaffenheit in der Region die verhängnisvolle Ursache letztendlich ans Tageslicht: Unter der Oberfläche von Staufen liegt eine 40 Meter hohe Schicht von Keuper. Es handelt sich hierbei um ein Gestein, das zu Gips wird, wenn es mit Wasser in Berührung kommt. Bei Erdwärme-Bohrungen stieß man auf Grundwasser unter der Keuperschicht. Diese ist mit einem kräftigen Druck nach oben geschossen. Dadurch entstand bei den Erdwärme-Bohrungen in den Sonden ein Leck und Wasser konnte in die Keuperschicht eindringen. Seitdem bläht sich die Erde unter Staufen unaufhaltsam auf und droht Staufen dem Erdboden gleich zu machen.

Viele Bewohner sind von den Auswirkungen der Erdwärme-Bohrungen betroffen und kein Mensch, keine Behörde oder Versicherung fühlt sich für den dadurch entstandenen Schaden verantwortlich. Versicherungen zahlen nicht, da es sich um einen „ hausgemachten Schaden“ mit Fremdeinwirkung handelt; die Stadtverwaltung weist ebenso jede Verantwortung von sich und springt von einer Sitzung zur anderen, um eine Lösung zu finden. Die Leidtragenden und Geprellten sind die Bewohner, die befürchten, ein Stück Heimat zu verlieren.

Zumindest bringen immer mehr Schaulustige, von den Einwohnern zynisch „Touriss-ten“ genannt, Geld in die Kassen. Etliche Bürger greifen zur Selbsthilfe und haben Vereine gegründet. Bleibt nur noch abzuwarten, ob die Stadt Staufen nicht nur das finanzielle, sondern auch das ökologische Problem in den Griff bekommt, sonst brauchen Touriss-ten in Zukunft anstatt eines Fotoapparates eine Bergarbeiter-Ausrüstung.