VON JULIA ZETZ | 06.06.2014 12:38

Von zauberhaften Gefühlen und eiskalten Enttäuschungen

Ich halte mich fest, mit aller Kraft. Ich will nicht loslassen, nicht vergessen, nicht gehen. Ich weiß, es ist am Ende, aus, vorbei. Aber ich will es nicht wahrhaben. So lange waren wir glücklich, gemeinsam, vereint. Wir gingen durchs Leben, auf und ab. Wir hielten uns gegenseitig, ich drohte niemals zu stürzen. Jeden Tag, den wir miteinander verbrachten, war ein Geschenk. Ich packte es aus und freute mich wie ein kleines Kind, freute mich jeden Tag aufs Neue, auf das Unbekannte, das Zauberhafte, das Verliebtsein. Doch eines Tages war das Geschenk leer, es blieb nur eine bunte Verpackung zurück. Wie konnte das sein? Was war geschehen? All diese Fragen stellte ich mir. Jetzt habe ich die Antworten vergessen.

Es ist einfach nicht zu leugnen: Jede neue Beziehung beginnt mit dem Gedanken „Du bist der Eine, der Richtige“. Wir suhlen uns in der Verliebtheit, tragen die rosarote Brille mit stolzgeschwellter Brust und nichts kann dieses Gefühl trüben. Wir lieben jede Kleinigkeit, jede Macke, jede Unsinnigkeit. Wir fühlen uns geborgen, aufgehoben und geliebt. Nichts kann uns trennen, jetzt ist alles richtig. Wir wollen uns ewig an diesen Gefühlen festhalten, denn sie helfen uns das zu vergessen, was unser Herz gebrochen hat. Wir glauben endlich den passenden Klebstoff für all die kleinen und großen Überreste unserer Seele zu haben.

Wenn Liebe zu Schmerz wird

Auf ruhigen Gewässern Richtung Wasserfall

Wir dümpeln dahin, lassen uns treiben, fühlen uns wohl. Wir genießen die Zeit, lachen und lieben. Wir sehen nicht, dass er da ist. Wir hören nicht das tosende Geräusch, der steile Abgrund bleibt uns verborgen. Streit tun wir als Diskrepanzen ab, Unstimmigkeiten gehören dazu, denken wir. Und bevor wir es merken ist der da, der Wasserfall, der steil nach unten führt. Wir haben keinen Halt mehr, kommen nicht mehr gegen die Strömung an. Wir werden mitgerissen.

Und da wartet ein Rettungsboot

Der Kleber ist nicht wasserfest, unser Herz wird abermals zerrissen. Langsam versuchen wir die Bruchstücke wieder zusammen zu führen, es gelingt uns aber nicht immer. Stück für Stück lernen wir die alten Gefühle zu vergessen und versuchen, neue zuzulassen. Wir kramen die Erinnerungskiste hervor, verstauen alte Gefühle darin, verschließen sie und sperren sie weg. Niemals wieder wollen wir das fühlen und erleben müssen. Manchmal haben wir Glück, wir sehen ein Rettungsboot. Es fängt uns auf, holt uns aus dem kalten Wasser und versorgt uns mit einer warmen Decke. Manche nehmen die Hilfe dankbar an, sind froh, gewärmt und umsorgt zu werden. Andere sind erst einmal froh, wieder festen Boden zu spüren. Und einige wenige unter uns schwimmen lieber weiter, verzichten auf das Rettungsboot und kämpfen sich alle bis zum Ufer.