VON NORA GRAF | 18.01.2016 11:59

Wohnraum für Studierende und Flüchtlinge: das Plattenbau-Revival

Es ist eigentlich nichts Neues: Immer wieder vor Semesterbeginn befinden sich viele Studierende auf der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung an ihrem Studienort. Gerade in beliebten Städten wie Berlin, Hamburg oder München ist es inzwischen sehr schwierig, günstigen Wohnraum zu finden. Daher müssen viele Studierende entweder tief in die Tasche greifen oder auch schon mal in einer Jugendherberge in einem Mehrbettzimmer unterkommen. Oder aber in weniger beliebte Stadtteile ausweichen, und den Traum von einer hippen Altbauwohnung gegen die Realität in einer Plattenbauwohnung einzutauschen.

Die Debatte um bezahlbaren Wohnraum ist mittlerweile schon zu einem Dauerthema geworden und beschränkt sich in vielen Großstädten nicht nur auf einzelne Bevölkerungsgruppen. Jedoch ist es gerade für Studenten – und insbesondere für ausländische – besonders wichtig/schwierig, eine für ihr Budget passende Bleibe zu finden. Aber die Plätze in den Studentenwohnheimen sind rar und die Wartelisten daher lang. Zwischen 6 Wochen und 12 Monaten müssen Bewerber zum Beispiel in Berlin auf eine Unterkunft warten. Den Forderungen nach mehr Wohnplätzen wurde jedoch nicht nach gegangen, denn die Stadtentwicklungsverwaltung sieht sich dafür nicht zuständig und die Wissenschaftsverwaltung sieht keinen Handlungsbedarf, da „keine verschärfte Situation“ auf dem Berliner Wohnungsmarkt besteht.

Und vielleicht ist auch ein klein wenig dran an der Behauptung, dass die Wohnungsnot nicht so dramatisch wie behauptet ist. Die Wohnungsbaugesellschaft Degewo hatte zum Beispiel 50 Wohnungen für Studenten und Azubis reserviert. Kurz nach Start des Angebots waren fast alle Wohnungen vergeben, bis auf vier, von denen drei davon sich im Plattenbaubezirk Marzahn-Hellersdorf befanden.

Begrüßungsgeld für Studierende

Klar, jeder, der auf der Suche nach einer neuen Bleibe ist, möchte am liebsten in eine schöne Altbauwohnung ziehen und zwar dorthin, wo viele gerne wohnen würden: Zentral, hip und wo was los ist. So etwa in Rostock, wo viele in das Szeneviertel Kröpeliner-Tor-Vorstadt drängen. Sofort wurden auch dort Stimmen nach mehr Wohnraum laut. Jedes Jahr ziehen aber 5.000 Menschen von Rostock weg. Es gibt also genug Wohnungen, jedoch – wie in vielen ostdeutschen Uni-Städten – in den Plattenbausiedlungen, in denen keiner leben möchte.

Doch genau dorthin zieht es immer mehr junge Menschen, die gerade diese grauen Betonbauviertel in lebenswerte Studentenviertel verwandeln möchten. Found a new Kiez – gründen wir einen neuen Kiez, so lautet zum Beispiel die Idee von Robert Dahms. Er hat sich dafür die Plattenbausiedlung Toitenwinkel ausgesucht. Vieles, was ein Szeneviertel ausmacht, sind für Dahms ohnehin schon in Toitenwinkel vorhanden: Ausreichend Parkplätze, Grünflächen, die Nähe zum Stadthafen oder auch die geringe Kriminalitätsrate. Auf der Facebook-Seite „Studentenviertel Toitenwinkel“ teilt er konkrete Vorschläge, um auch andere Menschen von einem Leben im Plattenbau zu überzeugen. Und damit ist er nicht allein: Es gibt schon zehn andere Initiativen in Rostock, die ähnliche Wohnprojekte zum Ziel haben.

Die Vorteile der vielen leerstehenden Plattenbauten hat man auch vonseiten der Stadtverwaltungen entdeckt. Brandenburg etwa möchte das Geld, das für den Abriss vieler unbewohnter Plattenwohnungen vorgesehen war, nun für die Sanierung verwenden. Die Wohnungen sollen dann Flüchtlingen zur Verfügung stehen. Eine Win-Win-Situation: Sowohl die Wohnungsbaugesellschaften als auch die Flüchtlinge profitieren davon. Die Unternehmen haben wenig Leerstand und die Flüchtlinge können ein selbstständiges Leben führen, integriert in eine einheimische Sozialstruktur.