VON ANNABELLA MARTINZ | 04.08.2016 09:54

Strafe muss sein: Wenn Kartelle auffliegen

Wegen unerlaubter Zusammenarbeit der größten LKW-Hersteller Europas kam es nun zu einer Geldstrafe in Milliardenhöhe. Seit 1997 hatten sie illegale Preisabsprachen getroffen und so den Markt kontrolliert. Die EU-Kartellbehörden kamen dem auf die Schliche und setzten mit einer rekordhohen Geldstrafe ein Ausrufezeichen: 2,93 Milliarden Euro Strafgeld verteilten sich auf Daimler, Iveco, DAF und Volvo/Renault. Nur MAN kam durch eine Selbstanzeige straffrei davon.

Gleich mehreren Formen unerlaubter Zusammenarbeit machten sich die LKW-Herstellergiganten schuldig. Seit 1997 koordinierten sie die Herstellerpreise, erstellten einen gemeinsamen Zeitplan, wann Technologien zur Minderung schädlicher Emissionen eingeführt werden sollen und überlegten, wie sie die Kosten an ihre Kunden weitergeben könnten.

Jetzt hat die EU-Kommission hart durchgegriffen und eine Strafe wegen Verstoßes gegen das Kartellrecht von rund 2,9 Milliarden Euro verhängt. Die höchste Geldbuße mit einer Milliarde muss der Daimler-Konzern tragen. Gegen Iveco, Volvo/Renault und DAF wurden Geldbußen zwischen 500 Millionen und 750 Millionen Euro verhängt.

Obwohl auch VW-Tochter MAN an den Absprachen beteiligt war, bleibt die Firma straffrei, denn sie hatte durch eine Selbstanzeige das Kartell erst aufgedeckt. Hausinterne Ermittler seien im Zuge der Aufarbeitung von Korruptionsvorwürfen auf die Kartelltätigkeit gestoßen, teilte das Handelsblatt mit. MAN sei einer Geldstrafe von 1,2 Milliarden Euro entgangen, ließ die Wettbewerbskommission verlauten. Doch durch die Zusammenarbeit bei der Aufklärung des Kartells und die geltende Kronzeugenregelung, muss sich MAN zwar „schuldig im Sinne der Anklage“ fühlen, darüber hinaus aber nicht für den entstandenen Schaden aufkommen. Die Kronzeugenregelung besagt, dass derjenigen natürlichen Person (dies gilt auch für Unternehmen), die sich als erstes beim Bundeskartellamt selbst anzeigt und ein Kartell aufdeckt, das Bußgeld erlassen wird.

Warum Kartelle verboten sind

Kartelle sind Vereinbarungen zwischen voneinander unabhängigen Unternehmen oder Organisationen, die eigentlich konkurrieren sollten. Bei der Kartellbildung kommen die Unternehmen zusammen und treffen gemeinsame Absprachen über Preisbildungen oder Produktionseinschränkungen. Desweiteren teilen sie Kunden oder ganze Märkte miteinander, arbeiten zusammen und verfälschen den Wettbewerb.

Die Kartellbildung ist in Europa illegal. Es herrscht das Prinzip der freien Marktwirtschaft wodurch ein vielgestaltiger Wettbewerb entstehen soll. Um die Fairness, gleichzeitig aber auch den Konkurrenzkampf zu gewährleisten, verbietet das Kartellrecht Absprachen zwischen den Marktteilnehmern. Doch immer wieder kommt es zu genau solchen, wobei der Endverbraucher jeweils am kürzeren Hebel sitzt.

Der Kaffee-Skandal

Die Kafferöster und -konkurrenten Tchibo, Melitta und Dallmayr waren acht Jahre lang dicke Freunde. Zwischen 2000 und 2008 sollen die sechs Geschäftsführer und Vertriebsleiter Absprachen zu Höhe, Umfang und Zeitpunkt von Preiserhöhungen getroffen haben. Allein zwischen Dezember 2004 und April 2005 gab es fünf einheitliche Preiserhöhungen. Für die 500-Gramm- Packung Kaffee wurde der Preis durchschnittlich um einen Euro angehoben und vom Lebensmittelhandel direkt weitergegeben. Am anderen Ende saßen die Verbraucher und mussten den Schaden ausbaden, denn laut Wettbewerbsbehörde zahlten sie jahrelang zu viel für ihren Kaffee. Das Bundeskartellamt kam den Kaffeeröstern auf die Schliche und verhängte eine Strafe in Höhe von 159,5 Millionen Euro.

Wachstumsrücknahme – Weniger Konsum für ein besseres Leben?

Haribo macht Druck

Auch Haribo hatte es faustdick hinter den Ohren. Und diesmal waren nicht nur die Hersteller, sondern auch die Händler an den Absprachen beteiligt. Haribo hatte jahrelang versucht, die Endkundenpreise für ihre Fruchtgummis zu beeinflussen, obwohl das nicht in ihrer Entscheidungsgewalt liegt. Die so gewonnenen Preise wurden überwacht und sogar mit unvollständiger Lieferung gedroht, sollten Händler die Fruchtgummis wieder heruntersetzen.

Doch auch von Seiten der Händler ging Druck aus: Haribo hatte sich bereits in den 1980er Jahren dazu entschlossen mit Aldi zusammenzuarbeiten. Dies schmeckte den anderen Händlern, darunter Edeka, Kaufland und Rewe so gar nicht, da diese die Haribo-Produkte teurer verkaufen mussten. Sie forderten von Haribo Preisuntergrenzen auch in Discountern um so dem Preisdruck, also kleineren Gewinnen durch niedrigere Endverbraucherpreise, zu entgehen.

Nach langem hin und her diskutieren erklärte sich Aldi schließlich dazu bereit, die Preise anzupassen. Und zwei Wochen, nachdem die Aldi-Filialen die süßen Weichgummis teurer anboten, zogen auch die anderen Händler nach. Die Kartellwächter kamen dem Spiel auf die Schliche und erteilten Geldbußen in Höhe von insgesamt 48,5 Millionen Euro gegen Haribo und die Lebensmittelketten, darunter Aldi, Edeka, Kaufland und Metro.

Am anderen Ende sitzt der Konsument und bezahlt

Bisher waren es immer die Endverbraucher, die den Schaden durch die Absprachen der Konzerne hatten. Dass der Kaffee teuer wurde und die geliebten Fruchtgummis bei Aldi nicht mehr zum gewohnten Preis angeboten wurden mussten die Kunden einfach hinnehmen. Das wird sich auch in Zukunft nicht ändern, denn solange ein Kartell nicht aufgedeckt wird, ist es weiterhin aktiv und beeinflusst den Markt zum Nachteil von Mitbewerbern und Endverbrauchern, ja eigentlich von jeder Person, die nicht in die Kartellmachenschaften verwickelt ist.

Mit der Einführung der Richtlinie über Schadensersatzklagen wegen Kartellrechtsverstößen, die bis zum 27. Dezember 2016 in nationales Recht umgesetzt werden müssen, wird zumindest der Prozess für die Opfer der Kartellrechtsverstöße einfacher gemacht, einen Schadensersatz durchzusetzen. Und vielleicht wird dann das ein oder andere Kartell noch etwas mehr in die Enge getrieben.