VON MAXIMILIAN REICHLIN | 11.01.2016 15:04

Was wurde eigentlich aus dem Zentrum für politische Schönheit?

Vor drei Jahren sorgten die Kunstaktivisten vom „Zentrum für politische Schönheit“ mit ihrer aufsehenerregenden 25.000-Euro-Aktion für Schlagzeilen und internationales Medienecho. Mit ihrer Kunst hatten die Aktivisten damals die Bevölkerung über den geplanten Verkauf von Panzern an das Regime in Saudi-Arabien aufmerksam machen wollen. Der Panzerdeal ist nun geplatzt – allerdings aus anderen Gründen. Und um die Kunstaktivisten ist es einigermaßen still geworden. Was treibt das ZPS in diesen Tagen?


25.000 Euro Belohnung – Um Waffenhersteller ins Gefängnis zu bringen

Es war eines der aufsehenerregendsten Kunstprojekte der jüngeren Geschichte: 25.000 Euro Belohnung lobte das deutsche „Zentrum für politische Schönheit“ (ZPS) für diejenigen aus, deren Hinweise es ermöglichen würden, einen der Haupteigner des Waffenkonzerns Krauss-Maffei Wegmann ins Gefängnis zu bringen. Auf der Webseite der Aktion wurden 2012 „Phantombilder“ der einzelnen Eigentümer des Konzerns veröffentlicht, nebst Namen und Lebensläufen. Mit Flugblättern und Fahndungsplakaten zog das Zentrum durch Berlin und fragten Passanten nach sachdienlichen Hinweisen. Gesucht wurde nach Hinweisen auf Steuervergehen, Korruption, et cetera.

Zweierlei sollte diese Aktion bezwecken. Erstens: Die Haupteigner der Rüstungsfirma sollten hinter ihrer bürgerlichen Fassade hervor gezerrt und ins Licht der Öffentlichkeit gestellt werden. Dazu nutzten die rund 70 Künstlerinnen und Künstler unter Gründer Phillip Ruch Informationen aus offen zugänglichen Quellen, etwa dem Handelsregister. Zweitens sollte die Aktion auf einen geplanten Panzerdeal zwischen Krauss-Maffei Wegmann und dem monarchistischen Regime Saudi-Arabiens aufmerksam machen. Um rund 800 Leopard-2-Panzer hatte sich das saudische Königshaus seinerzeit bemüht. Made in Germany, Lieferung frei Haus. Gegen diesen Deal wollte das ZPS gezielt vorgehen.

Die Aktion musste eingestellt werden – Der Panzerdeal kam trotzdem nicht zu Stande

Menschenrechtsverletzungen in die Mitte der nationalen Aufmerksamkeit zu rücken, das hat sich das ZPS zur Aufgabe gemacht. Auch mit radikalen Aktionen, wenn nötig. Dabei legen sich die Aktivistinnen und Aktivisten nicht selten mit den Mächtigen dieser Welt an. Eine von der Eigentümerfamilie Braunbehrens erwirkte Unterlassungsverfügung zwang das ZPS schließlich dazu, die Aktion zumindest in Teilen einzustellen. Zur „Fahndung“ durfte dann nicht mehr aufgerufen werden und auch die Bilder der Konzerneigentümer mussten geschwärzt werden. Obwohl die Website zur Aktion auch heute noch existiert und die 25.000 Euro Belohnung für großes Medienecho sorgten, wurde es danach einige Zeit lang still um das ZPS.

Trotzdem dürften sich die Aktivistinnen und Aktivisten dieser Tage darüber freuen, dass der Panzerdeal mit dem saudischen Königshaus nicht zu Stande kommt. Bundeswirtschaftsminister Gabriel hatte den Verkauf im Frühjahr 2015 gekippt und droht nun, aufgrund anhaltender Menschenrechtsverletzungen in Saudi-Arabien, mit weiteren Einschränkungen im Rüstungsexport. Nicht auszuschließen, dass auch die groß angelegte Aktion des ZPS etwas damit zu tun hat, dass im deutschen Bundestag heute ein wenig verantwortungsbewusster über das Thema Waffenlieferungen nachgedacht wird.

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Die jüngste Kunst: Leichen ausbuddeln und Journalisten zum Tode verurteilen

Das Zentrum indes ist immer noch aktiv, wenn auch keine der jüngsten Aktionen eine vergleichbare Aufmerksamkeit erhält, wie seinerzeit die 25.000-Euro-Kampagne. An Radikalität haben die Projekte der Kunstgruppe allerdings kaum eingebüßt. Für die Aktion „Die Toten kommen“ im Juni 2015 exhumierten die Künstlerinnen und Künstler beispielsweise mehrere an Europäischen Außengrenzen umgekommene Flüchtlinge und ließen die Leichen nach Berlin überführen, um sie dort symbolisch zu beerdigen. Damit will das ZPS auf die Mitschuld aufmerksam machen, die die deutsche Bundesregierung am Tode der Flüchtlinge hat, indem sie diesen keinen alternativen Einreiseweg biete.

Oft genug schlägt das ZPS mit solchen Projekten auch über die Stränge. Im Rahmen von „Die Toten kommen“ rief das Zentrum mit einem Inserat in der Arbeitslosenzeitung „Surprise“ zur Tötung des Schweizer Journalisten Roger Köppel auf. Dieser hatte sich zuvor für eine Schließung des Mittelmeerkanals für weitere Flüchtlinge ausgesprochen. Damit regte das ZPS, vor allem in Schweizer Medien, eine rege Diskussion darüber an, welche Mittel im Rahmen einer Kunstaktion gestattet sind, und welche nicht. Keine Frage: Das Zentrum für politische Schönheit polarisiert.

Die Ziele des ZPS: Brücken bauen, Inseln errichten, zum Nachdenken anregen

Um das Mittelmeer geht es übrigens auch in der aktuellsten Aktion des ZPS. Im September 2015 sammelte die Aktionsgruppe über das Crowdfunding-Portal Indiegogo Geld für ein Projekt namens „Die Brücke“. Zunächst hieß es, man wolle mit dem eingenommenen Geld eine Brücke errichten, um Afrika mit Europa zu verbinden und damit den Flüchtlingen den Weg erleichtern – dies stellte sich nach Ende der Crowdfunding-Kampagne als Satire heraus. Tatsächlich wurde mit dem Geld eine Rettungsplattform im Mittelmeer verankert, laut Aktionsseite „ein internationales Bekenntnis zur abendländischen Humanität“.

Was für die nahe Zukunft geplant ist: Wir wissen es nicht. Man darf allerdings gespannt sein, was sich die radikalen Künstlerinnen und Künstler des ZPS als nächstes einfallen lassen, diese „Sturmtruppe zur Errichtung moralischer Schönheit, politischer Poesie und menschlicher Großgesinntheit“, wie es von Seiten der Gruppierung selbst heißt. Sicher ist: Sie werden wohl auch weiterhin dafür sorgen, dass wir über Dinge nachdenken müssen, die wir eigentlich schon längst aus unseren Gedanken verdrängt haben. Und das mit radikalen Mitteln. Ob man das jetzt gut findet oder nicht, sei dahingestellt.

Bild: "Die Toten Kommen ZPS Beerdigung 2". © Erik Marquardt - sent to jcornelius via mail.
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