VON PHILLIPPINE SENSMEIER | 25.05.2012 15:14

Big Brother is watching you: Videoüberwachung an Hochschulen

Verschwundene Literatur, aufgebrochene Spinde, geklautes IT-Equipment: Die Liste der Hochschuldelikte ist lang und an deutschen Unis leider immer noch Realität. Diese holen zum Gegenschlag aus und installieren Kameras, um sich vor entsprechenden Missetaten zu schützen. Wozu jedoch Studenten in Umkleidekabinen oder Mensen gefilmt werden müssen, bleibt ein Rätsel – hier wird nämlich eindeutig in das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen eingegriffen. Wie weit darf das Streben nach Sicherheit tatsächlich gehen?

„An jedem Brennpunkt öffentlicher Kommunikation, auf Bahnhöfen, Flughäfen, großen Straßen und Plätzen, ist die Videoüberwachung machbar und sinnvoll“, so Finanzminister Schäuble 2006, damals noch Innenminister. Hochschulen passen eindeutig nicht in diese Beschreibung. Zwar herrscht auch hier reges Treiben und „öffentliche Kommunikation“, eine Universität jedoch als Brennpunkt zu bezeichnen überträfe das Maß aller Dinge. Und doch halten es viele Hochschulen für notwendig, ihre Räumlichkeiten auszuleuchten und zu kontrollieren. Videoüberwachung mag hier zwar machbar, doch in vielen Fällen sicherlich nicht sinnvoll sein.

Persönlichkeitsschutz und Datenschutz

Das Thema Überwachung per Kamera ist an Deutschlands Hochschulen ein vieldiskutiertes geworden. Verschiedene Anlässe sind lediglich die Spitze eines Eisbergs, der für viele noch unsichtbar ist: 2004 erhält die Universität Paderborn für die Videoüberwachung ihrer Hörsäle und Rechnerräume den BigBrotherAward. 2006 entdeckten Studenten der Humboldt-Universität in Berlin in verschiedenen Hörsälen versteckte Kameras, die noch aus der Stasi-Zeit der DDR stammten, aber immer noch in Betrieb waren. Ebenfalls 2006 plante die Uni Leipzig die Einrichtung diverser Videokameras in Hörsälen und öffentlichen Campusplätzen, was zu heftigen Protesten der Studenten und zur Einschaltung des Sächsischen Datenbeauftragten führte. Trotzdem sind in Leipzig immer noch dutzende Kameras installiert, die die Studentenschaft stets im Blick haben. Von diesen Beispielen gibt es Einige: Wer „Videoüberwachung an Hochschulen“ bei Google eingibt, findet so ziemlich alles vertreten – von Aachen bis Zwickau.

Die meisten Studenten scheinen sich jedoch nicht dafür zu interessieren, dass sie unter ständiger Beobachtung stehen und dass das Filmmaterial über sie entsprechend lange gespeichert wird. „Viele Studenten bekommen es auch einfach nicht mit“, vermutet Andreas Lehrfeld, Vorsitzender der liberalen Hochschulgruppe an der Universität Trier. In Protestaktionen hat die Gruppe im letzten Jahr auf die Kameras aufmerksam gemacht: „Neun von zehn Leuten reagieren verwundert, wenn man ihnen die Kameras zeigt.“ Getreu dem Motto: „Was er nicht weiß, macht ihn nicht heiß“, wird dem deutschen Studenten also verschwiegen, wo und wann er gefilmt wird. Schilder werden in den seltensten Fällen angebracht und wenn doch, dann sind sie leicht zu übersehen.

Was mit den gespeicherten Filmdaten passiert, bleibt oft unklar. Die Hochschulgruppe in Trier fordert diesbezüglich mehr Transparenz. Auch die rechtliche Grundlage für Videoüberwachung ist nicht vollends geklärt. Generell darf sie nur der Gebäudesicherung dienen und zwar nach Unibetrieb, wenn sich unerlaubterweise Personen auf dem Hochschulgelände aufhalten. An Orten, an denen Menschen jedoch länger bleiben, wie der Mensa oder dem Lesesaal, sei die Videoüberwachung einfach dreist, so Kulturanthropologe Nils Zurawski. Es werden Leute beobachtet, die keinerlei Anlass dazu gegeben haben und denen prinzipiell das Grundrecht zugesprochen werden sollte, sich in der Öffentlichkeit zu bewegen, ohne das ihr Verhalten durch Kameras aufgezeichnet wird. Eine Meinung, der man nur zustimmen kann.