VON MAXIMILIAN REICHLIN | 07.12.2015 16:35

Gegen Rassimus und Meinungsfreiheit? Über die Proteste an den Unis in den USA

Seit November kommt es an amerikanischen Universitäten vermehrt zu Protestaktionen. Hauptthema der jungen Demonstrantinnen und Demonstranten: Rassismus und Diskriminierung auf dem Campus. Das führte jüngst zu einer Welle von Studentenbewegungen im ganzen Land. Einige befürchten allerdings, dass die Studierenden zu aggressiv vorgehen könnten. Worum geht es genau?

Studenten und Studentinnen gehen um in den USA. Seit Anfang November breiten sich Protestbewegungen an amerikanischen Universitäten aus wie ein Lauffeuer. Die Protestierenden besetzen Campus und Mensen, treten in Hungerstreik, verhindern prestigeträchtige Sportveranstaltungen, erzwingen Rücktritte und Entlassungen. Ihr erklärtes Ziel ist es, eine Stimme zu sein gegen den alltäglichen Rassismus in den Vereinigten Staaten, gegen Diskriminierung und Hass an den Universitäten.

In den gesamten USA protestieren Studierende

Angefangen hatte alles in Missouri, im US-Bundesstaat Columbia. Dort berichteten schwarze Studierendengruppen von einer Serie von Hassverbrechen, Beleidigungen und Akten von rassistisch motiviertem Vandalismus auf dem Hauptcampus der vier dort befindlichen Colleges. Dem Präsidenten der Universität Tim Wolfe warf die Bewegung vor, nichts gegen die Vorfälle zu unternehmen. Im November wurde sogar Wolfes Rücktritt erwirkt, nachdem afroamerikanische Mitglieder des Football-Teams der Universität gedroht hatten, erst wieder zu spielen, wenn der Präsident abdanke.

Seitdem organisieren sich die Protestbewegungen beinahe überall in den USA. Laut der „Washington Post“ verwandeln sich die amerikanischen Universitäten in diesem Semester in „civil rights battlegrounds“, in Schlachtfelder, auf denen für Menschenrechte gekämpft wird. Studierende an über 100 Universitäten nahmen Mitte November am sogenannten Million Student March teil, um für die Einführung höherer Löhne und die Abschaffung von Studiengebühren zu kämpfen. An der Eliteuniversität Yale in Connecticut demonstrierten Hunderte gegen die Diskriminierung von Minderheiten auf dem Campus. Und immer und überall haben sich die jungen Studierenden den Kampf gegen den Rassismus auf die Fahne geschrieben.

Black Lives Matter – die schwarze Bürgerrechtsbewegung in den USA

Rassismus gehört in den USA noch immer zum Alltag

Der ist noch immer ein großes Thema in den Vereinigten Staaten. Seit im vergangenen Jahr der dunkelhäutige Teenager Michael Brown in der US-Stadt Ferguson von einem Polizisten erschossen wurde, ist die öffentliche Debatte um dieses Thema wieder stark angeheizt worden. Nach den Vorfällen erhielt die Bürgerrechtsbewegung „Black Lives Matter“ einen nie dagewesenen Zulauf. Sie kämpft gegen den Rassismus in den Vereinigten Staaten. Und der ist nach wie vor real: Alle 28 Stunden wird in den USA ein Schwarzer von Polizei oder Sicherheitskräften erschossen. 25 Prozent aller schwarzen Frauen leben unter der Armutsgrenze.

Im August veröffentlichte der schwarze Autor Ta-Nehisi Coates das Essay „Between The World And Me“, in dem er pragmatisch eine Bestandsaufnahme darüber vornimmt, wie das Leben eines Schwarzen in den USA aussieht. Ähnlich aufgebaut ist der Gedichtband „Citizen“ der schwarzen Autorin Claudia Rankine. Sie beschreibt den Rassismus der USA als „ständigen Regen“ der auf sie und ihresgleichen niedergehe. Das sind nicht die Auswüchse künstlerischer Fantasie und auch kein Phänomen: Es ist die alltägliche Lebenswelt einer Bevölkerungsgruppe, die sich auch im Alltag ständig Formen von Gewalt, Hass und Diskriminierung ausgesetzt sieht.

Schlägt die Protest-Welle in den USA möglicherweise zu hoch?

Der Kampf gegen diese Diskriminierung wird nun an den Universitäten des Landes ausgetragen. Diese sollten, so die Protestierenden, ein „safe space“, ein sicherer Raum sein. Gemeint ist ein Raum, an dem Vielfalt, Verständnis und Aufgeklärtheit über alltäglichen Rassismus triumphieren. Diese Einstellung verschafft den Initiativen allerdings nicht nur positives Feedback. Kritische Stimmen, vor allem von Seiten er Medien, werfen ihnen vermehrt vor, es mit der „political correctness“ zu übertreiben.

So wurde etwa an einer Universität in Massachusetts unter öffentlichem Druck die alljährliche Aufführung eines feministischen Theaterstücks aufgrund der Ausgrenzung transsexueller Studierender abgesagt. In Missouri geriet die Schwarze Bewegung in Kritik, weil Presseleute unter Gewaltandrohung von den Demonstrierenden ferngehalten wurden. Damit befeuern die Proteste in den USA nicht nur die Rassismus-Debatte, sondern regen gleichzeitig zu einer Debatte über Protestkultur an. Die Frage lautet: Welche Mittel sind bei der Durchführung solcher Proteste noch im Rahmen und wann fangen die Studierenden an, die Meinungsfreiheit zu schädigen. Klar ist jedoch, dass die Vorkommnisse in Ferguson und die Anti-Rassismus-Bewegung im 200 Kilometer entfernten Missouri in den USA zu einer Welle von Protestbewegungen geführt haben, deren Auswirkungen noch nicht abzusehen sind.