VON SINEM S. | 15.06.2012 12:18

Urban Mining - verborgene Schätze in unseren Mülltonnen

Die Rohstoffe werden knapp, die Ausbeutung der Ressourcen zeigt langsam Konsequenzen. Dabei schlummert die Lösung buchstäblich vor unserer Haustüre in Millionen von Abfalltonnen: Wertstoffe - in ihnen liegt ungenutztes Potential für unsere Zukunft. Sie sind zu einem Milliardengeschäft geworden, doch verdienen meist zwielichtige Unternehmer ihr Geld damit, unseren unliebsamen Müll ins nichteuropäische Ausland weiterzuverscherbeln.

Damit man die Rohstoffzufuhr weiterhin aufrechterhalten kann, muss immer tiefer und immer mehr gebuddelt werden. Die Ressourcen werden knapp, bald wird es nicht mehr reichen, Mutter Erde auszuhöhlen. Es geht aber einfacher: Tonnen von achtlos weggeworfenem Müll in deutschen Haushalten bergen ein Rohstoffpotential ungeahnten Ausmaßes. Eine Tonne alter Handys zum Beispiel enthält 50mal soviel Gold wie eine Tonne aus einer ertragreichen Goldmine. Fernseher, Telefonen, Autos liefern jede Menge Silber, Kunststoff und Altpapier und werden zu Höchstpreisen gehandelt. Mit dem Verkauf von alten Bratpfannen könnte man mittlerweile sein Einkommen bestreiten.

In einer Studie für die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft hat das Institut für Wirtschaft Köln 2009 einen Rohstoff-Risiko-Index entwickelt. Gleich 14 Rohstoffe, vom Seltenerdenmetall Ydrium über Phosphat und Lithium bis zu Chrom haben die Wissenschaftler als rot eingestuft: Die Nachfrage hierfür ist so groß, dass ihre Versorgung in Zukunft nicht mehr so leicht gegeben sein wird. Wenn Rohstoffe knapp werden, wird Recyclen wieder attraktiv, die entsprechenden technischen Anlagen hätte Deutschland, jedoch verlassen immer noch jährlich mehr als 155.000 Tonnen Elektroschrott die deutschen Häfen Richtung Afrika oder Asien, wo sie illegal entladen und nur ein Bruchteil davon fachgerecht recycelt werden.

Zu einem Drittel besteht der Schrott aus PC- und Fernseh-Bildschirmen. Die Geräte enthalten neben gesundheitlich unbedenklichen metallischen Rohstoffen auch eine ganze Reihe Gifte. Diese müssten eigentlich aussortiert verwertet werden, um die menschliche Gesundheit und die Umwelt nicht zu belasten.

Kinderarbeit

Meist sind es Kinder, die auf den Mülldeponien graben und die Geräte per Hand auflöten - der gefährliche Versuch, bestimmte Rohstoffe zu gewinnen, die sie dann weiterverkaufen können. Dass sie dabei ihre Gesundheit aufs Spiel setzen, ist den meisten zwar bewusst, wird aber in ihrer Armut in Kauf genommen. Die giftigen Gase, die bei dem Versuch, alte Platinen zum Schmelzen zu bringen, freigesetzt werden, brennen in den Atemwegen und sorgen für lebensgefährliche Erkrankungen. Alt werden diese Kinder meist nicht, doch die Armut und unser Müll, der tagtäglich bei ihnen landet, sorgen dafür, dass sie weitermachen.

"Mit den alten Elektrogeräten verlassen nicht nur viele Gefahrenstoffe das Land, auch kostbare Rohstoffe wie Gold, Kupfer, Platin oder Indium gehen damit für den Rohstoffkreislauf bei uns verloren" so UBA-Präsident Jochen Flasbarth. Es wird Zeit für einen Paradigmenwechsel, ein neuer Recyclingkreislauf könnte dafür sorgen, dass endlich nachhaltig und verantwortungsbewusst mit unseren Ressourcen umgegnagen wird. Allein die Abfälle aus Industrie und Wirtschaft könnten dem deutschen Staat bei fachgerechter Aufbereitung Milliarden Euro jährlich sparen. Doch die Politik ziert sich, allzu oft verhallen innovative, zukunftsträchtige Ideen im Mief der Konventionen. So verbrennt man doch lieber weiterhin Tonnen von Müll, anstatt aus ihnen Neues zu erschaffen.