VON SINEM S. | 13.08.2012 11:47

Überhangmandate - Zeit für ein besseres Wahlsystem

Das Bundesverfassungsgericht hat rechtzeitig zur Bundestagswahl 2013 das bestehende Wahlsystem in Deutschland gekippt. Nun soll das bisher ungerechte und undurchschaubare Verfahren reformiert werden, den Parteien bleibt wenig Zeit. Bis zur nächsten Bundestagswahl können sie sich nämlich nicht durch neue Klauseln in den Bundestag mogeln. Vor allem die viel gerügten Überhangmandate sollen auf ein Minimum beschränkt werden, denn sie sind es, die den großen Parteien oftmals zum Vorteil gereichen.

Überhangmandate? Schon mal gehört, aber schnell wieder vergessen. Das Bundesverfassungsgericht will ab sofort weniger Überhangmandate, und mehr Transparenz in unserem Wahlsystem. Den Parteien dürfte dies einige Schwierigkeiten bereiten, denn die nächsten Wahlen stehen bereits vor der Tür und sie müssen sich auf ein wählerfreundliches, neues Verfahren einlassen, das die Stimme der Wähler realistischer abbildet als bisher.

Wie entstehen Überhangmandate? Wenn eine Partei mit der Erststimme mehr Stimmen erworben hat, als ihr aufgrund der Verhältniswahl an Sitzen im Parlament zusteht, werden diese einfach dazu addiert. Die Überhangmandate verfälschen nicht nur die Verhältniswahl, sie sorgen auch oftmals für das „negative Stimmgewicht“. Denn Überhangmandate können im Unglücksfall die Sitze einer Partei auch vermindern, obwohl die Wähler ihre Stimmen gerade dieser Partei gaben, und somit den politischen Willen des Volkes verfälschen.

Die Grundrechte

Woher kommen diese Regelungen eigentlich? Nach dem 2. Weltkrieg autorisierten die drei Westmächte die Ministerpräsidenten ihrer Besatzungszonen am 01. Juli 1948 zur Gründung eines westdeutschen Teilstaates und zur Durchführung einer verfassungsgebenden Versammlung. Die Ministerpräsidenten jedoch lehnten dies ab, und setzten einen parlamentarischen Rat durch, der von den Landtagen gewählt wurde. Nachdem dieser das Grundgesetz verabschiedet hatte, sprachen sich zehn Landesparlamente ebenfalls dafür aus, der Bayerische Landtag jedoch kritisierte den fehlenden Föderalismus und gab erst zögerlich seine Zustimmung. Am 24. Mai 1949 trat das neue Grundgesetz in Kraft und die BRD war gegründet. Seitdem wurde das Wahlrecht nur noch modifiziert. Es entsprach also schon damals dem heute geltenden Recht. Zuerst hatte aber jeder Wähler nur eine Stimme, mit der er sowohl den Kandidaten des Wahlkreises, als auch den der Landesliste der Partei wählen konnte. Erst ab 1953 gab es die Zweitstimme.

Gäbe es nicht Erst- und Zweitstimmen, ließen sich die Überhangmandate vermeiden, denn gerade das Aufteilen der Stimme sorgt für noch mehr Überhangmandate. Einfacher wäre es wahrscheinlich, die unzeitgemäßen Überhangmandate abzuschaffen, dies scheitert aber am Willen der Union, die ja gerade an diesen Zusatzplätzen im Parlament ihre Vorteile genießt. Ebenso unvernünftig ist das sogenannte Stimmen-Splitting in Landeslisten und Wahlkreiskandidaten, eine einfache Wahl für beide Listen wäre hier einfacher und durchschaubarer.

Es sind sowieso eher die großen Parteien, die von diesen Mandaten profitieren, da ihre Kandidaten eher die Direktmandate gewinnen. Für Chancengleichheit unter den Parteien ist somit nicht gesorgt, die kleineren gehen dabei unter. Bereits im Juli 2008 hatte das Karlsruher Bundesverfassungsgericht das bestehende Wahlrecht für teilweise verfassungswidrig erklärt, die Parteien schafften es aber nicht, innerhalb der Drei-Jahresfrist eine Neuregelung vorzulegen. Jetzt müssen sie sich sputen, denn bis zur nächsten Wahl ist es nicht mehr lange hin!