VON LISI WASMER | 29.01.2014 14:13

Zurück in die Zukunft? Streit um NRW-Hochschulreformen

Bereits im November vergangen Jahres hat Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung Nordrhein-Westfalen einen Gesetzesentwurf zum sogenannten "Hochschulzukunftsgesetz" auf den Weg gebracht. Als federführend gilt Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD), die mit dem 355 Seiten starken Papier gewissermaßen einen Gegenentwurf zum unter ihrem Vorgänger Andreas Pinkwart (FDP) entstandenen "Hochschulfreiheitsgesetz" verfasst hat.
Das aktuell geltende Gesetz steht für eine Autonomisierung der Universitäten von der Regierung, der jetzt vorliegende Entwurf für eine Art Rückeroberung der Kontrolle durch die Politik. Die Meinungen über diese "Reformreform" gehen indes weit auseinander.

Es ist gewissermaßen ein Drahtseilakt, den Universitäten landesweit zu meistern haben: Einerseits geht die Förderung von Hochschulen durch staatliche (und somit vom Steuerzahler finanzierte) Zuschüsse immer weiter zurück. Andererseits hat die Akquise von Drittmitteln über Unternehmen immer auch den faden Beigeschmack der Lobby-Arbeit. Das ist in der Wissenschaft nicht anders als in der Politik: Wer zahlt, möchte mitbestimmen. Etwa bei Personalfragen, bei Planungen zum Studienangebot oder gar bei der Auswahl zu verwirklichender Forschungsprojekte.

Der als „wirtschaftsnah“ geltende ehemalige Wissenschaftsminister von Nordrhein-Westfalen Andreas Pinkwart (FDP) brachte während seiner Amtszeit das „Hochschulfreiheitsgesetz“ auf den Weg, das den Universitäten mehr Unabhängigkeit von der Regierung und somit mehr Handlungsspielraum nicht zuletzt auch in Finanzierungsfragen gab. Kritische Stimmen klagen seither über eine „Ökonomisierung“ der Wissenschaft, über zu wenig Transparenz und eine eben nicht mehr gewährleistete Freiheit der Forschung.

Wie die Wirtschaft die Hochschulen beeinflusst

In Zukunft ohne Freiheit?

Anders sieht das zum Beispiel die Hochschulrektorenkonferenz (HRK), deren Präsident Prof. Dr. Horst Hippler den von der amtierenden Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD) im November vorgelegten Entwurf zum „Hochschulzukunftsgesetz“ in einem offenen Brief scharf angreift: „Ich will betonen, dass [...] eine derartig umfassende Gesetzesnovelle nicht erforderlich ist. Der vorliegende Entwurf schränkt in zentralen Punkten die Wissenschaftsfreiheit und Autonomie der Hochschulen in inakzeptabler weise ein“, heißt es da. Die Ministerin reagierte in einem Antwortschreiben „überrascht“ bis schnippisch.

Auch Ferdinand Knauss von der „Zeit“ steht dem Gesetzentwurf sehr kritisch gegenüber, ebenso wie seine Kollegin Marion Schmidt. Von einem Verlust der „budgetären Selbstverantwortung“ der Universitäten ist die Rede, von „Planwirtschaft“ und vom „Geist des Misstrauens“, wie Annette Fugmann-Heesing, Vorsitzende des Bielefelder Hochschulrates, zitiert wird.

Freiheit ohne Zukunft?

Kein Widerstand, dem nichts entgegenzusetzen wäre. Unter den auf „Zeit Online“ veröffentlichten Artikeln von Knauss und Schmidt häufen sich verärgerte Kommentare gegen die Stimmungsmache, gegen die HRK und vor allem gegen das derzeit geltende Hochschulfreiheitsgesetz. So kommentierte etwa der Zusammenschluss der Allgemeinen Studentenausschüsse in NRW laut Studentenportal „Studis online“ : „Ein mehrheitlich extern besetzter Aufsichtsrat soll nun über die Geschicke der Hochschule entscheiden. Hier ist keine Beteiligung von den Betroffenen, seien es Studierende oder Lehrende mehr vorgesehen“. Gemeint sind die Hochschulräte, welche derzeit die Entscheidungsgewalt innehaben.

Wolfgang Lieb, promovierter Jurist und Mitherausgeber des Polit-Blogs „Nachdenkseiten“, spricht Schulzes Entwurf sogar mehr Freiheitssinn zu als dem aktuellen Gesetz. So sei „völlig in Vergessenheit geraten, dass das nordrhein-westfälische Hochschul-‚Freiheits’-Gesetz staatlicher oder ministerieller Willkürherrschaft über die Hochschulen Tür und Tor offen gelassen“ habe. Er verweist auf die im Gesetzestext festgehaltene Möglichkeit zu „Verwaltungsvorschriften“ hin, die einen viel tieferen Eingriff in die Autonomie der Universitäten ermöglichten als etwa in der Gesetzesnovelle festgeschriebene „generell-abstrakte, nur einen Rahmen vorgebende Rechtsverordnungen“ das tun.

Salomonische Stimmung

Welcher Seite man nun auch sein Votum geben möchte – die Stimmung ist gereizt, es herrscht ein angespannter, teils boshafter Ton. Das liegt vermutlich auch daran, dass neben Fragen zur Entscheidungshoheit in Finanzierungsdingen auch empfindliche Themen wie etwa eine 40-Prozent-Frauenquote im Gesetzesentwurf Schulzes berührt werden.

Dennoch gibt es auch besänftigende Stimmen. Nicht im Sinne einer Kompromissfindung zwar, nein. Aber es tut sich doch ein drittes Lager auf, das es sich sozusagen zwischen Freiheits- und Zukunftsgesetz gemütlich gemacht hat. Die vorherrschende Meinung: Weder die Wirtschaft, noch die Politik soll einen ausgebauten Einfluss auf die Universitäten genießen. Herr Pinkwart und Frau Schulze werden gleichermaßen gerügt, die Gesetze gleichermaßen für ungeeignet erklärt. Bleibt die Frage, wie ein dritter, vielleicht ein goldener Mittelweg aussehen könnte.