VON ANNABELLA MARTINZ | 27.06.2016 13:23

Bodycount, Koffer und Co. – Soziolekte und ihre Vorkommen

Der Begriff Soziolekt setzt sich aus den Wörtern „sozio“ und Dialekt zusammen. Darunter zu verstehen ist ein Dialekt, der auf sozialen Faktoren beruht und durch diese hervorgebracht wird. Durch das Sprechen eines Soziolektes in einer Gruppe wird ein Gemeinschaftsgefühl gebildet. Geheimsprachen, Jugendsprachen aber auch wissenschaftliche Sprachen fallen hierunter.

Soziolekte treten in einer Lebenssphäre einer Person auf und werden nur in einer bestimmten Gruppe gesprochen und verstanden. Durch das Sprechen eines Soziolektes soll das Zugehörigkeitsgefühl unterstrichen werden (Jugendsprache) oder Themen behandelt werden, die eine bestimmte Art von Sprache voraussetzen (Wissenschaftssprache).

Soziolekte haben eine Sprachfunktion und sind zweckbestimmte, kommunikationsbereichsbezogene Teilsprachen einer Einzelsprache. Zu verschiedenen Kommunikationsbereichen gehören unterschiedliche zweckbestimmte Teilsprachen.

Die Herausbildung von Soziolekten – zwei Ansätze

Emile Durkheim erforschte, dass sich die Gesellschaftsstruktur in segmentären, einfachen Gesellschaften von der in funktional differenzierten, höheren Gesellschaften grundlegend unterscheidet. Die funktional differenzierte, in der wir heute leben, ist von der organischen Solidarität geprägt.

Die Arbeitsteilung bewirkt, dass nicht mehr „jeder alles kann“ sondern sich die Menschen auf Teilbereiche spezialisieren. Dadurch entsteht eine organische Solidarität – die Individuen sind durch ihre Spezialisierung voneinander abhängig, leben jedoch nicht mehr im Kollektiv sondern entfalten sich individuell.

Talcott Parsons, ein Klassiker der Systemtheorie, erläutert, dass sich Menschen in verschiedenen Teilsystemen aufhalten, die sich an Schnittpunkten überschneiden. Jedes Teilsystem braucht das andere um zu existieren; es herrscht jedoch ein Eigenleben in jedem Einzelnen unabhängig voneinander.

Diese soziologischen Theorien veranschaulichen auf unterschiedliche Weise, wie die Gesellschaft aus Teilsystemen/Gruppen besteht. Für diese Teilsysteme wird eine eigene Sprache gebraucht, um sich einerseits voneinander abzugrenzen, andererseits aber den Zusammenhang innerhalb der Gruppe zu stärken. Daneben besteht die Notwendigkeit der Herausbildung einer Sprache zur reibungslosen Kommunikation, die dem „Thema“ des Teilsystems angepasst ist.

Arten von Soziolekten nach ihrer Funktion

Michael Hoffmann unterscheidet verschiedene sprachliche Stile mit jeweils eigenen Funktionen. Die Alltagskommunikation dient unter anderem dem Besprechen familiärer Angelegenheiten und der Pflege sozialer Kontakte. Die Behördenkommunikation bedient sich einem sprachlichen Jargon im Sinne der Administration und orientiert sich an den Regeln offizieller Angelegenheiten. Das Vermitteln theoretischer Erkenntnisse über die Welt steht in der Wissenschaftskommunikation an oberster Stelle. Davon unterscheidet sich die Dichtersprache, die zum Ziel hat, Sprachkunstwerke herzustellen und Kunsterlebnisse zu bewirken.

Von Yolo bis Wallah oder

Diese erste Untergliederung lässt sich allerdings noch enger fassen. Als Soziolekte gelten unter anderem die Jugendsprache, Soldatensprache, die Schichtensprache sowie die Sprache bestimmter Freizeitgruppen.

Zugehörigkeit und Differenzierung

Im Zuge der Individualisierung bilden sich immer neue Soziolekte heraus. Je nach Interessengebiet werden szenespezifische Bezeichnungen herausgebildet, die sich nur in der sozialen Gruppensprache wiederfinden lassen. So gilt zum Beispiel die Gamer-Sprache auch als Soziolekt. Gamer untereinander können sich durch die gewählte Form der Sprache nahtlos unterhalten. Eine außenstehende Person wiederum wäre mit der gewählten Sprache überfordert.

Während die Gamer-Sprache neue Wörter kreiert, die von Abkürzungen geprägt sind, bedient sich die Gefängnis-Sprache einem besonderen Slang. Je nach Region, Gruppenzugehörigkeit und Situation werden Wörter, die im alltäglichen Sprachgebrauch eine zugeschriebene Bedeutung haben, uminterpretiert, sodass sich die Bedeutung verändert (Zum Vergleich das Wort Koffer, das für eine Schachtel Zigaretten steht).

Fazit

Durch Soziolekte wird das Gemeinschaftsgefühl sozialer Gruppen gefördert. Wortneuschöpfungen, Abkürzungen und das Ersetzen der Bedeutungen bestimmter Wörter verhelfen zu einer reibungslosen Kommunikation innerhalb der sozialen Gruppe. Für außenstehende Menschen sind Soziolekte kaum zu verstehen, was mit Einführung eines solchen bewusst intendiert wird.