VON JASCHA SCHULZ | 10.06.2015 13:16

Soziale Netzwerke – Eine neue Generation?

Die Rufe nach einer Alternative zu Facebook werden immer lauter. Der vermeintlichen Datensammelwut des Konzerns möchten sich immer mehr Menschen entziehen. Die wenigsten kennen allerdings ein adäquates soziales Netzwerk, zu dem sie wechseln könnten. UNI.DE hat sich auf die Suche nach den vielversprechendsten Alternativen gemacht, die sich in der derzeitigen Internetlandschaft finden lassen. Dabei wurde vor allem der Frage nachgegangen, ob sich ein Trend hin zu einer neuen Generation von sozialen Netzwerken erkennen lässt.

Die Dominanz von Facebook scheint gigantisch. Kein anderes soziales Netzwerk kann auch nur annähernd so viele Seitenaufrufe generieren. Dabei gibt es mittlerweile unzählige kritische Stimmen, die den laschen Umgang des Konzerns mit den Daten seiner Nutzer verurteilen. Dass Facebook im November 2014 eine Änderung der Geschäftsbedingungen ankündigte, die dem Konzern weitergehende Rechte über Nutzerdaten einräumte, verschärfte die Kritik erneut. Allerdings wurde schnell klar, dass die größten Konkurrenten wie Twitter oder Google Plus keinen viel sichereren Umgang mit den persönlichen Daten garantieren. Denn auch diese speichern ungeheure Datenmengen auf ihren Servern und geben ihren Nutzern kaum eine Möglichkeit, selbst zu entscheiden, was mit ihren Informationen passiert.

Edward Snowden und Alan Rusbridger

Bleibt somit nur noch die Alternative zwischen dem Ausstieg aus der vernetzten Welt oder dem Akzeptieren eines eventuellen Missbrauchs persönlicher Daten? Es gibt auch noch eine andere Möglichkeit, entgegnen viele Netzexperten. In sogenannten dezentralisierten Netzwerken sehen sie die Lösung für das Datenproblem. Ein dezentralisiertes Netzwerk zeichnet sich dadurch aus, dass die jeweiligen Daten nicht auf einem zentralen Server des Unternehmens gespeichert werden, sondern auf persönlichen Servern. Somit soll die Kontrolle über die eigenen Daten behalten werden und diese vor Missbrauch durch größere Organisationen, Geheimdienste, oder Werbetreibende geschützt sein. Als Aushängeschild der dezentralisierten sozialen Netzwerke und als Hoffnungsträger im Wettbewerb mit Facebook gilt Diaspora. Es verzeichnet derzeit rund 1.100.000 registrierte Nutzer und wurde von vier Mathematikstudenten der New York University gegründet. Im Funktionsumfang ist es Facebook ähnlich. Es gibt das typische „schwarze Brett“ an dem User Posts platzieren und kommentieren können sowie eine Chatfunktion für den privaten Nachrichtenaustausch. Wer sich anmelden möchte, kann entweder seinen eigenen Server, einen sogenannten Pod einrichten, oder sich auf einem anderen lokalen Server registrieren. Damit es nicht unzählige kleine Netzwerke gibt, sind die einzelnen Pods miteinander verbunden, so dass ein Mitglied auf alle Inhalte des Netzwerks zugreifen kann. Der richtige Name muss bei einer Registrierung nicht angegeben werden.

Allerdings sehen viele auch bei Diaspora ein Datenrisiko. Da die meisten User nicht das nötige technische Know How besitzen, um einen eigenen Server zu installieren, platzieren diese ihre Daten auf fremden Servern und müssen auf deren gewissenhaften Umgang damit vertrauen. Außerdem hat Diaspora auch mit grundlegenderen Problemen zu kämpfen. Die Chatfunktion ist demnach noch sehr unausgereift und die mobile Version soll schwierig zu installieren sein. Auch die Server sind anscheinend immer noch störanfällig. Andere dezentralisierte Netzwerke, wie GNU Sozial oder Friendica haben mit ähnlichen, technischen Problemen zu kämpfen. Auch das als Anti-Facebook bekannt gewordene Ello hat Schwierigkeiten, das aufkommende Userwachstum zu bewältigen. Ello ist zwar kein dezentralisiertes Netzwerk, dafür zeichnet es sich durch den generellen Verzicht auf Werbung aus. Sie ermöglichen den Nutzern umfassende Opt-Out Möglichkeiten bezüglich persönlicher Angaben sowie das einfache Löschen des Accounts.

Trotz dieser Änderungen wird bezweifelt, dass die neue Generation der sozialen Netzwerke überhaupt eine Konkurrenz für Facebook darstellen kann. Wer in ein soziales Netzwerk eintritt, möchte vor allem soziale Kontakte pflegen. Und gerade da liegt das Problem: Wenn sich jemand von Facebook abwendet, ziehen die Freunde häufig nicht nach. Die- oder derjenige fühlt sich allein im neuen Netzwerk und kehrt wieder zu Facebook zurück.

Chancen auf Zuwachs haben deshalb in den letzten Jahren vor allem die sozialen Netzwerke, die Funktionen anbieten, die Facebook nicht erfüllen kann. So gibt es mittlerweile zahlreiche soziale Netzwerke, in denen das Teilen von Inhalten im Gegensatz zur Kommunikation mit Freunden und Bekannten im Vordergrund steht. Zwar wimmelt es in Facebook nur so von Fotos und Videolinks, jedoch vermissen viele den optischen Anspruch und ein frisches Design. Auf Netzwerken wie EyeEm, tumblr oder Pinterest lassen sich mit zahlreichen Bearbeitungsfeatures Bilder, Videoclips oder Sprachnotizen den sozialen Freunden präsentieren. Auf diesen Seiten hat sich eine starke Sharing Kultur etabliert, die Textlastigkeit geht deutlich zurück. Auf EyeEm etwa wird jedes gepostete Bild automatisch mit – im Nachhinein löschbaren – Zusatzinfos, wie etwa Aufnahmeort, Veranstaltung oder Thema ergänzt. Das soziale Netzwerk Pinterest ist seinerseits zu einem Austauschort zahlreicher spezieller Interessensgebiete geworden. Es hat sich mittlerweile als Inspirationsquelle für Rezepte, Mode und die Do-it-yourself-Kultur etabliert und verzeichnet mehr als 70 Millionen Nutzer. Auch Voycee bietet ein interessante Neuerung: Es merkt sich nichts. Ob Bild, Video oder Text, jeder neue Post überschreibt den vorherigen. Vor allem für diejenigen, die von der Sammel- und Speicherwut einiger Netzwerke abgeschreckt sind, tun sich hier neue Möglichkeiten auf.

Vor allem Teenies fühlen sich von diesen, als frischer empfundenen Modellen der Kommunikation angezogen und verbringen weniger Zeit auf Facebook. Tatsächlich ist in Deutschland auch bereits ein geringer Rückgang der Visits bei Facebook zu beobachten. Dass die neuen, auf Teilung von Inhalten ausgerichteten sozialen Netzwerke tatsächlich ähnliche Userzahlen wie Facebook erreichen können, ist allerdings nicht abzusehen. Dazu sind sie funktional zu stark eingeschränkt. Somit bleibt die Vorherrschaft von Facebook – zumindest in naher Zukunft – bestehen.