VON JULIA ZETZ | 30.06.2014 11:27

Soziale Entsorgung

Freunde für immer, das schwören wir uns schon in jungen Jahren. Wir malen uns aus, wie wir in 50 Jahren gemeinsam die Fotos von vergangen Partynächten betrachten. Wir wachsen gemeinsam auf, lernen zusammen Fahrradfahren, machen unseren Führerschein und halten unsere Abschlusszeugnisse in der Hand. Und dann kommt das Leben. Wir studieren in verschiedenen Städten, lernen unterschiedliche Berufe und neue Leute kennen. Eine starke Freundschaft übersteht auch das, andere nicht. Viele versuchen mit allen Mitteln den Zusammenhalt zu stärken und die Freundschaft zu erhalten. Manchmal ist loslassen aber die einzige Lösung.

Nicht selten ertappen wir uns dabei, wie wir etwas melancholisch einige Jahre zurückblicken und uns mit einem wohligen Gefühl an die Vergangenheit erinnern. Wie wir mit unseren Schulfreunden die Nachmittage am See verbracht haben, mit unseren Studienkollegen das Nachtleben unsicher gemacht haben und wie wir uns damals geschworen haben, dass sich niemals etwas ändern würde. Das war damals….

Wissen, was kommt – oder lieber nicht?

Am Scheidepunkt angelangt

Es schmerzt schon sehr, wenn Freundschaften zerbrechen, wenn Erinnerungen verblassen, wenn Wege sich trennen. Wir neigen dazu diesen Zustand verhindern zu wollen und das mit allen Mitteln. Wir schreiben SMS, versenden Fotos aus vergangenen Zeiten und wollen festhalten, was zu versinken droht. Wir nehmen Abfuhren in Kauf, verstehen nicht was geschieht. Bis zu diesem einen Tag, dieser Stunde, dieser Minute in der wir verstehen was geschehen ist: Wir haben uns verändert, unser Leben hat sich verändert und unsere Freundschaften auch. Wir sind nicht mehr jung und unbeschwert, haben wenig Sorgen und kaum Verpflichtungen. Wir sind jetzt erwachsen, groß und reifer geworden. Wir sehen Dinge mit anderen Augen, setzen andere Prioritäten und haben andere Ziele. Das zu erkennen kostet Kraft und manchmal auch die eine oder andere Träne.

Freunde für immer? Nein, danke!

Freunde sind wie unsere liebsten Kleidungsstücke: von einigen trennen wir uns nie, andere werden irgendwann einmal entsorgt. Das klingt hart? Nein, gar nicht, denn auch ein Lieblingspullover passt uns vielleicht irgendwann nicht mehr, weil er ausgewaschen oder einfach zu klein ist. Und so ist das auch mit Freundschaften: Sie verändern sich mit der Zeit, weil wir uns verändern. Wir setzen uns neue Ziele und entwickeln uns weiter. Manche Freundschaften halten allen Veränderungen stand, sie sind stark genug um über viele Jahre hinweg zu bestehen. Das ist wundervoll, denn genau mit diesen Menschen sitzen wir in 50 Jahren zusammen und lachen über wilde Partynächte und vergangene Liebschaften. Andere Freundschaften sind aber wie der ausgewaschene Pullover: sie haben uns in einem Lebensabschnitt begleitet, aber jetzt passen sie nicht mehr. Dann müssen sie entsorgt werden, denn wie vielleicht der auch der ausgewaschene Pullover, hat ein anderer noch Gefallen daran.