VON CHARLOTTE MEYER | 11.11.2015 14:22

Social Business und Migration: Mit betriebswirtschaftlichem Denken Migrationsprobleme lösen

Sie wollen Startups zusammenbringen und so das Problem der Migrationskrise angehen. Der Migration Hub in Berlin ist eine Anlaufstelle für Startups, die sich mit dem Problem der Migration und Integration auseinandersetzen. Doch was für Startups gibt es eigentlich in diesem Bereich und wie kommt man auf die Idee einer Austauschplattform für soziale Startups? Das und mehr hat UNI.DE für euch herausgefunden.



Vom Segelboot an die Potsdamer Straße

Der „Migration Hub“ in der Potsdamer Straße in Berlin existiert nun knapp zwei Monate. Diese – wenn wortwörtlich übersetzt – zentrale Stelle für Migration soll eine Plattform für Startups bieten, die sich mit der Hilfe für Flüchtlinge beschäftigen. Dieser Migration Hub ist ein sogenannter Popup Coworking-Space, das heißt, er wurde in kurzer Zeit geschaffen, um Engagierte zusammenzubringen und Synergien zwischen ihnen zu schaffen. Die Idee kam von der Crew des „Startup Boats“. Diese Bootscrew entstand auf Initiative der Berliner Gründerin Paula Schwarz und segelte im August dieses Jahres fünf Tage lang an der griechischen Mittelmeerküste entlang. Das Ziel: durch den direkten Ortskontakt Lösungen für das Migrationsproblem zu schaffen. An Bord waren vornehmlich Vertreter aus der Wirtschaft. So unter anderem Unternehmensberater, Jungunternehmer und Mitarbeiter internationaler Firmen. Der Migration Hub ist im Anschluss an den Segeltörn entstanden, nachdem sich viele Initiativen bei Startup Boat mit Ideen und Ansätzen zur Migrationskrise gemeldet hatten. Die Kooperation unterschiedlicher Aktivisten und Querdenkern wurde so vom Boot ins Büro nach Berlin verlegt.

Studium für Flüchtlinge

Mit Bildung die Beschäftigungslosigkeit bekämpfen

Ein Vertreter eines Berliner Start-ups, das sich für die Bildung von Geflüchteten einsetzt, war mit an Bord im Mittelmeer. Sein Name ist Vincent Zimmer, er ist selbst noch Student und hat gemeinsam mit anderen Studierenden Kiron gegründet. Das ist eine Online-Universität, an der Flüchtlinge ohne Papiere und ohne Zugangsbeschränkungen studieren können. Das Studium funktioniert an der virtuellen Hochschule folgendermaßen: anfangs durchlaufen die Flüchtlinge ein Online-Grundstudium, in dem Basiswissen vermittelt wird. Dieses wird von deutschen und internationalen Universitäten angeboten. Nach diesen drei Jahren können die Studierenden offline weiterlernen sofern ihr Aufenthaltsstatus zu diesem Zeitpunkt geklärt ist. Auch müssen dann Deutschtests und Zugangsvoraussetzungen nachgeholt werden, um weitermachen zu können. Die bereits erbrachten Leistungen können dann angerechnet werden. Der Vorteil ist: Jede und jeder Studierende kann von überall studieren, weil das gesamte Angebot online verfügbar ist. Für einen der Gründer, Markus Keßler, war es vor allem wichtig, den Geflüchteten mit der Online-Universität Bildungsmöglichkeiten, aber vor allem auch eine gewinnbringende Beschäftigung zu geben. Da der Aufenthaltsstatus von vielen Flüchtlingen nicht geklärt ist, können sie meist kein Studium aufnehmen und haben nichts zu tun. "Das ist verschwendete Zeit. Die Leute brauchen einen Sinn im Leben", meint Keßler und verteidigt damit den freien Zugang zur Universität ohne Papiere und ohne Zulassungsbeschränkung.

Arbeitssuchenden Geflüchteten Arbeit geben

Social startups, das sind Unternehmen, die durch unternehmerisches Denken geprägt sind und gleichzeitig einen sozialen Mehrwert schaffen wollen. Nicht nur Kiron ist eines davon, sondern zum Beispiel auch „Workeer“ – eine Jobbörse für Geflüchtete. Hier können sich Arbeitgebende und Flüchtlinge registrieren und so im Idealfall zu einem Arbeitsverhältnis zusammenkommen. Diese Plattform wurde als Projekt von den Kommunikationsdesign-Studenten David Jacobs und Philipp Kühn gegründet und hat trotz des Status als Beta-Version 770 Arbeitgeberinnen und -geber und 680 Bewerberinnen und Bewerber. Allerdings kann aufgrund der schwierigen arbeitsrechtlichen Lage von Geflüchteten über Workeer meist nur der Kontakt zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden hergestellt werden. Das Arbeitsamt prüft dann im Folgenden die einzelnen Bewerbungen. Die Informationen sind dabei so transparent wie möglich auf der Internetseite präsentiert, damit nur faire Beschäftigungen angeboten werden. Schaut man sich auf Workeer um, kann man die unterschiedlichsten Profile sehen und dabei Interessantes entdecken. Es gibt Geflüchtete unterschiedlichen Alters und mit ganz verschiedenen Berufswünschen und Muttersprachen. Manche sind erst 18, 19 Jahre alt, andere 40. Einige haben Kurdisch oder Arabisch als Muttersprache, andere Aramäisch, Ukrainisch oder Urdu, das in Indien und Pakistan verbreitet ist. Von Reinigungskräften, Küchenhilfen bis Medien- und Informatikfachleuten ist alles vertreten. Arbeit geben hier Personaldienstleistungen, Apotheken, Rechtsanwälte und noch viele mehr. Ebenso wie bei Kiron sind hier Menschen am Werk, die nicht in erster Linie Gewinnmaximierung anstreben, sondern gesellschaftliche Probleme angehen wollen.